“Banditizmi politik”. Exkommunistische Staybehind-Truppen und gesellschaftliche Verwerfungen im östlichen Europa nach 1989

Motto 1:Scheffelt Geld, sonst sind wir verloren!” Anweisung an die Parteikollegen seitens Adrian Nastase, ehem. Ministerpräsident Rumäniens (PSD), zur Zeit “politischer” Häftling
Motto 2:Erst wenn wir die Justiz haben, haben wir die ganze Macht!” (Dan Voiculescu, ehem. hochrangiger Securitate-Agent und Devisenbeschaffer Ceausescus, heute inhaftierter Medienmogul, Politiker und Geschäftsmann)

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Jetzt, da auch über die rumänische Flanke und schrittweise über die albanische der Sicherheitsgürtel der euroatlantischen Mächte im südöstlichen Europa die russisch-serbisch-panslawische Chaosachse dauerhaft zu ersetzen scheint und auch in dieser Großregion das westliche Wirtschafts-, Konsum-, Lebens- und Gesellschaftsmodell obsiegt, lichtet sich etwas der Nebel der vergangenen 25 Jahre und erlaubt die Betrachtung der politischen Ereignisse des vergangenen Viertel Jahrhunderts von einer anderen Warte.

Zum Beispiel von jener des Untergundkampfes zwischen siegreich-dominanten westlichen Kräften (Politik, Wirtschaftskreise, Armeeführung, NGO’s, Geheimdienste, Kulturindustrie) und den versprengten stay-behind Kontingenten der exkommunistischen Machtzirkel. Stay-behind? Will sagen, die Geheimarmeen, die im Falle einer Niederlage im Kampf der zwei ideologischen Blöcke die Feindbekämpfung hinter der Front fortzusetzen hatten. Gladio und Loge P2 in Italien und so.

Was im Westen dank Rechtsstaatlichkeit und Sieg über den sowjetischen Osten schon Anfang der 90er Jahre thematisiert werden konnte – nämlich die Existenz genannter Geheimarmeen (oft mit rechtsextremem ideologischen und personellen Hintergrund und koordiniert vom CIA), die unter falscher Flagge schon mal Bombenattentate im eigenen Land verübten, nur um sie linksextremen Gruppierungen im Westen in die Schuhe zu schieben und diese zu diskreditieren (z.B. in Bologna, München,  Luxemburg, u.a.) – dieses ist in den östlichen Neudemokratien meines Wissens nach GAR NICHT oder nur marginal zur Sprache gekommen. Denn, so wie es westliches staybehind gab, so gab es logischerweise auch ein östliches, d.h. in jedem Oststaat je ein eigenes Überrollkommando.

Gladio
“Im Stillen diene ich der Freiheit”: Gladio-Wappen (Italien) mit Sinnspruch. Frage: Wem dienten die Gegenspieler von Gladio & Co. im östlichen Europa nach 1989? Foto-Quelle: wikipedia

Und so, wie ihre westlichen Kollegen im Falle einer Invasion östlicher Feinde diese und ihr feindliches Regime im Hinterland zu sabotieren hatten, wofür sie auch entsprechend ausgebildet und trainiert worden waren, so gab und gibt es Staybehind-ler in Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien/Serbien, den ex-sowjetischen Staaten, die das Wissen und den ‘mindset’ haben, das neu importierte westliche Gesellschaftsmodell von innen her zu bekämpfen.

Dazu fallen mir in Rumänien  so viele Beispiele ein, daß ich gar nicht weiß, wo damit beginnen. Denken wir nur an:
1. die Terroristen-Inszenierung nach dem 22. 12. 1989,
2. die ethnischen Spannungen und handfesten Nationalitätenkonflikte in Siebenbürgen v.a. in den 1990er Jahren (-> Einsetzung von Folterknechten als Polizeichefs in Szeklerland)
3. die “mineriade”
(die Bergarbeiter-Schlägereien) in Bukarest,
4. die Pyramidenspiele Marke Caritas um 1993,
5. die gezielte Bankrottierung von Banken und Abzocker-Investitionsfonds um 1999 (FNI – Sorin Ovidiu Vantu),
6. die Unterwanderung und regelmäßige Zersplitterung der bürgerlichen Parteien (PNL, PNT) und Schlüsselinstitutionen durch ehemalige Leute des ‘ancien regime’,
7. die Plünderung der Staatskassen durch bandenmäßig organisierte Business-und-Polit-Netzwerke via überteuerter Staatsaufträge mit integriertem Parteiensponsoring (z.B. Autobahn(nicht)bau),
8. die Kaperung strategischer Resourcen (Wälder, Lizenzen für Bodenschätze) und Vergabe an Westfirmen zum Spottpreis – möglicherweise auch mit unterschwelliger Korrumpierungsabsicht westlicher Institutionen,
9. Gehirnwäsche, Brachialmanipulation, Volksverhetzung durch demokratie- und europafeindliche Massenmedien (Romania Mare, Antena3, RTV)


Politkriminalität und mörderische Absurdität der Nachwendezeit kreativ sublimiert und symphonisch orchestriert

Dieses alles wurde in Rumänien gekrönt vom kalten Putschversuch im heißen Sommer 2012, angeführt von jemandem, der durchaus einer der Paten und Masterminds der staybenhind-Strukturen sein könnte: Genosse Voiculescu, der die Sprengung und das Entern der strategischen rechtsstaatlichen Schlüsselinstitutionen zum Ziel hatte (DNA, Präsidentenamt; Geheimdienste/CSAT). Die letzte Episode dieses großangelegten, wohldurchdachten Generalangriffs oder auch Ausbruchversuchs aus dem Korsett der Rechtsstaatlichkeit fand in den beiden Wahlrunden am 2. und 16. November d.J. ihr dramatisches Ende.

Man könnte nun (naiv?) einwenden – um sein eigenes (optimistisches) Bild der sehr viel düstereren Realitäten in Rumänien und auf dem Balkan bzw. in der ehem. UdSSR zu retten, daß die alten-neuen Eliten gar nicht bewusst im Sinne einer staybehind-Truppe agierten, sondern sich schlicht und einfach bereichern wollten. Dagegen kann man wiederum einwenden, daß staybehind gar keiner expliziten Organisierung oder zentraler (abhörbarer) Kommunikationsstrukturen bedarf, da die einzelnen Akteure per Definition sehr wohl wissen, was sie wann zu tun haben; außerdem läßt sich deren Abstimmung dezentral und über einen längeren Zeitraum hinweg problemlos bewerkstelligen.

Von außen wird also der staybehind-Kampf nicht als Kampf empfunden, stattdessen in seinen Folgen (ständiger konfliktueller Dissens und Verwerfungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft) erlebt – und u.U. dem “Feind” in die Schuhe geschoben. Wenn im Volk das Motto “Die Demokratie/Europa/der Westen ist schuld! Unter Ceausescu war es besser!” wiederhallt, ist das der Indikator schlechthin für den Erfolg der staybehind-Bewegung. In Rumänien waren diese Sprüche bis in die Gegenwart Leitmotiv der Nachwendezeit.
Mission erfüllt!

Sicherlich kommt im südöstlichen Europa auch eine zweite Ebene hinzu, die jenseits aller ideologischen Grabenkämpfe im politischen/gesellschaftlichen Kulturcode dieser Region zu finden ist – einem Kulturcode, in dem Recht, Ordnung, Konsenssuche, planerisches Handeln, Vertrauen in Staat/Staatsbeamte und verinnerlichte Selbstdisziplin NICHT als eigene historisch gewachsene Werte und erlebte kollektive Praxis enthalten sind. (Dieses ist eine Feststellung, keine Wertung! In eine Wertung würden auch vielfachen positiven Aspekte des ordnungsskeptischen balkanisch/östlichen Wertesystems mit einfließen.) Anders gesagt: Auf “dem Balkan” flossen Politik, Wirtschaft, Räubertum, Freiheitskampf, Gewalt, Verwaltung und Vergewaltigung “schon immer” ineinander.
Poltik und Banditismus – zwei Seiten einer Medaille.

Was aus postmodern-aufklärerisch westlicher Sicht anachronistisch und barbarisch anmutet, ist nur eine zeitverzögerte Manifestation dessen, was europäische “Entdecker” in Asien, Afrika und Amerika seit 1500 bis in die jüngere Vergangenheit hinein mit der allergrößten Selbstverständlichkeit taten, oder die Wandervölker (z.B. die Ungarn bis ins 10.-12. Jahrhundert im östlichen Europa – oder teilweise die Osmanen bis ins 19. Jahrhundert auf dem Balkan.
…Was wiederum den “banditizmi politik” (albanischer Ausdruck für beinahe identisch wie in Rumänien ablaufende aktuelle institutionelle Rückzugsgefechte der ehemaligen Kleptokommunisten im gegenwärtigen Albanien) in diesem Raum mit erklärt, an dem westlich orientierte Eliten in Serbien, Albanien, Rußland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien oft verzweifeln.

…Und in der Ukraine bzw. in Rußland sind wir seit längerem Zeugen des offen ausgetragenen Kampfes zwischen dem ex-sowjetischen staybehind (durch Putin exemplarisch verkörpert) und einer komplexen westlichen Offensivmacht, die “das Gute” nach eigenem Ebenbild dorthin exportieren und verankern will.
Der Ausgang dieser nicht zufällig an den Kalten Krieg erinnernden und teilweise mit dessen Propagandemitteln ausgetragenen feindseligen Handlungen ist gewiß: Das Gute und die Guten werden siegen: Allerdings werden nicht die Guten das Gute definieren, sondern die Siege. – egal wer das sein wird.

Eines steht für mich fest: In Rumänien und überhaupt im Osten Europas brauchen wir eine staybehind-Forschung, wie sie in westlichen Ländern bereits (in wachsendem Maße) existiert. Sie könnte Wesentliches zum tieferen Verständnis der Problematik dieser Gesellschaften beitragen.

Posted by at 23/11/2014
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3 Responses to “Banditizmi politik”. Exkommunistische Staybehind-Truppen und gesellschaftliche Verwerfungen im östlichen Europa nach 1989

  1. Roser says:

    Sich überlagernde Interessen auf engsten Raum führen zwangsläufig zu Verwirrungen in denen Opportunisten jeglicher couleur ihre Chance suchen und gnadenlos ergreifen .

  2. Off Topic says:

    Lieber Hans,
    hier ein Link zu einem “Journalisten” der beim Sender Radio China International arbeitet, dan Tomozei.
    http://dantomozei.ro/2014/11/20/alegeri-2014-votantii-lui-iohannis-despre-iohannis-si-o-intrebare-pentru-noul-presedinte/
    Der Mann ist ganz klar ein Agent der KJ diskreditieren muss und schleudert aus China Scheisse in Richtung Rumänien. Kennst Du ihn vielleicht? China scheut sich nicht allen zu zeigen, dass sie viel lieber Ponta als Präsidenten gehabt hätten. Natürlich nicht durch die eigene Stimme, sondern durch so ein “trepăduș” wie Tomozei.
    Unglaublich!
    M.

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