Russland lieben und verstehen…

…faellt nicht immer und nicht auf Anhieb leicht – und seine juengst vollzogene geopolitische Grossrochade auf der Krim ist auch alles andere als eine liebenswerte nette Geste, sondern eher ein voelkerrechtlicher Kriminalfall (tolles Wortspiel, das mir da eben gelungen ist! ;-). Einer von (zu) vielen Kriminalfaellen, die die Weltgeschichte – auch die juengere und juengste – bisher erlebt hat.

Aus deutscher Sicht ist einem die Antipathie der Nachbarvoelker nichts Fremdes nicht – was wiederum eine geeignete psychologische Ausgangsbasis fuer eine teutschlaendische Tiefenanalyse des ehemaligen (und zukuenftigen?) Zarenreiches bietet, die dann wiederum die doppeltraumatisierten Polen argwoehnisch machen und sie den nicht weniger auf  kolonial und imperial geeichten Briten und Amerikanern in die Arme treiben wuerde. Waehrenddessen die noch identitaetssuchende Ukraine langsam zwischen diesen Muehlsteinen zerrieben wird.

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Zurueck zu Russland… Was mir in dieser Gemengelage zu diesem Land und seinem poltisch-gesellschaftlichen “Kulturcode”/mindset einfaellt:
1. Die Hammer-und-Sichel- Symbole, die im Herbst in meiner Heimatstadt Schaessburg auf dem neu renovierten sowjetischen “Heldenfriedhof” mit der allergroessten Selbstverstaendlichkeit auf dem Obelisk und der Gedenktafel angebracht wurden – dabei gilt der Kommunismus in Rumaenien mittlerweile als verbrecherisches System und die Helden von Schaessburg sollen uebrigens gar nicht im Kampf gegen die “Faschisten” gefallen sein, sondern sollen waehrend einer alkoholisierten Sauf- und Voegelfahrt durch die saechsischen Nachbardoerfer mit ihrem Militaer-LKW in den Strassengraben umgekippt und zu Tode gekommen sein.

2. Das Buch des englischen Historikers Orlando Figes, “Tragoedie eines Volkes” – ein 500+ Seiten starker Waelzer -, in welchem die spaete Zaren- und die fruehe Bolschewikenzeit ziemlich detailreich und gleichzeitig uebersichtlich rekonstruiert wird – und in der als eines der Leitmotive der russichen Geschichte alptraumhaft die blanke Gewalt, der Missbrauch und die Verachtung des Menschen seitens seiner Mitmenschen wiederkehrt.

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3. Vory v ZakoneDiebe im Gesetz; ein Dokfilm von 2011 oder so, ueber den politisch vernetzten ex-KGB-istischen Gangesterkluengel der postkommunistischen Zeit. Das knuepft nahtlos an Punkt 2 an – ebenso wie an Putins mittlerweile US-sanktionierte Hausbank Bank Rossija, die Oligarchen jeglicher Couleur  in Russland (all-inkcusive auch der Oligarch der Herzen, Chodorkowskij) aber auch jene aus der Ukraine und aus sonstigen neoabsolutistischen Grosskhanaten der ex-UdSSR.

4. Meine persoenlichen Erinnerungen an die leeren festungs- oder gar gefaengnisartigen russischen Schlafwaggons in den Ueberlandzuegen, fuer die es an der Kasse in Sochi oder auch in Rostow am Don keine Fahrkarten gab, dich hingegen der Schaffner schwarz mitfahren liess – zum vollen Preis uebrigens.

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5. Russlands Drang zu den “warmen Meeren” als eine Konstante seiner Aussenpolitik – wie es uns der damals schon greise aus Rumaenien stammende Prof. Dionisie Ghermani an der Muenchner Hochschule fuer Politik einzuschaerfen versuchte. (Ist das Schwarze Meer auch warm und nicht nur biologisch tot?, frage ich mich…)

6. Die russisch-serbische pan-orthodoxistische Waffenbruderschaft waehrend der Jugoslawienkriege. Die historischen russischen Affinitaeten zu den Montenegrinern, Griechen, Armeniern, ihre Sehnsucht nach Frankreich (s. Punkt 5)

7. Hitler, Stalin, Pakt. Leningrad, Stalingrad, Kaliningrad.

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9. Partnerschaft fuer den Frieden zwischen NATO und Russland in den 1990ern, gefolgt von der unaufhaltsamen Expansion des Westens in “vitale Sphaeren” Russlands. Angesichts der voelkerrechtswidrigen Eingriffe der USA/Grossbritanniens in Afghanistan, dem Irak, in Lybien und eingedenk des kafkaesk-theatralischen Selbstbeschusses der Amis vom 11. September 2011, aufgrund dessen sie sich selbst einen Freifahrtschein fuer neue und neue weltweite Beutezuege ausgestellt haben, ist es irgendwie verstaendlich, dass die Erben von Byzanz mit den Erben Roms gleichziehen und auch ein bisschen Hegemonialmacht spielen wollen. Der vorgeschobene, legitimierende Menschenrechtsdiskurs Marke Putin geraet dabei zur peinlichen Farce, aber stoeren tut das kaum jemanden, weil man ihn im Gegensatz zu den US-Missionaren des Kapitalismus gar nicht ernstnimmt. Die US-amerikanischen Ditiramben ueber “Freiheit” fuer die Voelker in erdoelschwangeren Staaten sind da schon schmerzhafter, weil verlogener und viel geschickter verpackt und viel besser verkaeuflich.

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10. Abchasien, Ossetien, Transnistrien und sonstige russische Kleptoprotektorate, regiert von Dieben im Gesetz im Namen des Selbstbestimmungsrechts der von den Dieben ausgebeuteten Voelker. Hauptsache, man zerruettet dadurch die abtruennigen Republiken Georgien, Moldawien usw., die die Naehe und den Schutz westlicher Maechte suchen.

11. Tschetschien I + II

12. Russische Sprache schwere Sprache. Russisches Alphabet, schweres Alphabet.

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13. Slawophile versus Westler

14. Erdgas, Atombomben, Ruestungsindustrie, verbotene Staedte

15. Deportationen von Balten, Volgadeutschen, Krimtataren, Siebenbuerger Sachsen – und noch viel mehr Russen. Stalins Hungerkrieg gegen die Ukrainer.

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16. Die erdrueckende Weite der Landschaft in Russland. Schon die Ukraine wirkt beinahe endlos. Russland sprengt hingegen jede Dimension. Kein Wunder, dass die Bewohner des groessten Landes der Erde nach Grossem suchen, streben – und dabei oft am Kleinen in sich selbst scheitern.

17. Die vor 100+ Jahren meist deutschen, juedischen, armenischen Eliten der noch ueberwiegend baeuerlichen russischen Gesellschaft

18. Wlada Kolosowas unbaendiges Schreibtalent

20. Die eher unterentwickelte Selbstreflexionsfaehigkeit unseres transilvanischen Russen Andrej Kolobow in Sachen Krim-Annexion durch Russland

21. Der Ungarnaufstand im Oktober-November 1956 als Beweis, dass David gegen Goliath (zumindest zeitweilig) funktioniert

22. Das teilweise geschundene, halb vergessene Denkmal des russsischen Generals Skarjatin am Stadtrand von Schaessburg 🙁 (Schlacht der Zarenarmee und der Habsburger Truppen gegen die ungarische Revoluzzer-Armee im Sommer 1849)

(23-117. Matrioschka, Vodka, Samowar, Potemkin samt Doerfern & Panzerkreuzern, Dostojewskij, Ivan der Grosse bzw. Katharina die Schreckliche (oder umgekehrt), Birkenwaelder, Lada, Drushba, Sputnik, Rubel, Baikal, Kosakenchor – damit auch die Klischees nicht zu kurz kommen)

Schlussfolgerung: Keine

Posted by at 21/03/2014
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6 Responses to Russland lieben und verstehen…

  1. Anonymous says:

    Warum soll die Sezession der Krim von der Ukraine “verwerflicher” sein als die Sezession des Amselfeldes und Metochiens (Kosmet bzw. Kosowa) von Serbien?

    Bloß weil dort deutsche und österreichische Hiwis auf Grund der mastadrmakrobatischen Ergebenheit gegenüber der Dominanz all der ranzigen Politiker dieser Länder, die sie dort hinschicken, mit die Drecksarbeit machen?

    • hans says:

      sie vergessen eines: kosovo ist erst 8 jahre nach dem krieg in die unabhaengigkeit entlassen worden (one jedoch an albanien angedockt zu werden). die krim-show ist hingegen ein voelkerrechtlicher putsch der sonderklasse. stellen sie es sich mal vor, gleich nach dem 99er krieg haetten die westmaechte einfach mal so ein turboreferendum inszeniert und 2 wochen darauf den praesidenten von albanien freudig den anschluss erklaeren lassen!
      krim und kosovo unterscheiden sich hierin wesentlich. hinzu kommen auch die eindeutigeren demographischen verhaeltnisse und die reale diskriminierung der kosovo-albaber unter milosevic, die den wunsch zur unabhaengigkeit im kontext der jugoslawien-aufloesung hatten reifen lassen. aehnlichkeit zur krim sehe ich in der tatsache, dass beide “laender” unter den fittichen je eines grossen bruders den austritt aus einem staatsverband unternommen haben.

      • Anonymous says:

        Nicht sehr einleuchtend diese Argumentation!

        Zum Amselfeld und Metochien wäre sicher sehr viel zu schreiben. Die Vorgänge sind in etwa gleich gelagert. Eine recht ähnliche Situation besteht auch in Transnistrien. Wobei die Situation dort durch die En(Ex)klavensituation – je nach Betrachtungsweise – kompliziert wird.

        Zur Krim wäre nur festzustellen, dass das Land ehtnisch “russisches Beutegut” ist.

        Eine mit dem russisch okkupierten Ostpreußen und anderen ehemals deutschen Territorien vergleichbare Situation.

        Die Russen hausen auf der Krim teilweise noch immer in den Häusern der von ihnen vertriebenen Krimtataren.

        Wie es aussieht sind die Krimtataren noch etwas weniger verweichlicht und zersetzt als die Deutschen der Gebiete östlich des Territoriums Restdeutschlands, was die Sache kompliziert, da die Tataren ihr Land zurück haben möchten. Ein Verhalten, das den Deutschen inzwischen ausgetrieben worden zu sein scheint …

        Die Ukraine hat jedenfalls kaum Bezug zur Krim. Sicher weniger als die Tataren …

        Das Messen mit zweierlei Maß ist eine Spezialität der Verfechter der “Menschenrechte & demokratischen Freiheiten”! Alle Rechte für die Dominanz. Die Unterworfenen habe zu kuschen und zu parieren …

        Was für Amselfeld und Metochien gilt, sollte auch für die Krim gelten. Wobei dort das “wie” recht problematisch ist …

        • hans says:

          einleuchtend ist meist nur, was “anonymous” schreibt, das weiss das erdenrund mittlerweile.

        • Horst David says:

          Krimtataren = weniger verweichlicht und weniger zersetzt; die Deutschen der Gebiete östlich des Territoriums Restdeutschlands = verweichlicht und zersetzt. Hans, zersetzte Dich endlich!

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