Lenin war ein Massenmörder. Leider.

 

 

Vladimir I. Lenin verwandelte Russland von 1917-20 in eine Hölle auf Erden – zusammen mit einer Räuber- und Psychopathenbande namens Tscheka (dem Vorläufer des KGB, des sowjetischen Geheimdienstes). Was in Historikerkreisen längst bekannt ist und seit Jahren und Jahrzehnten auch jedem interessierten Zeitgenossen in Form von Büchern in allen möglichen Sprechen zugänglich ist, wird in westlichen linken Kreisen aber scheinbar immer noch gerne ignoriert oder verdrängt oder gar verneint. Eine mehr als bizzare Blüte trieb die linksextreme Geschichtsklitterung und Realitätsverweigerung am 20. 06. 2020 in Gelsenkirchen/Deutschland, wo auf Betreiben der “Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschland“, einer kaum bekannten aber finanziell üppig dotierten Splitterpartei  am dogmatischen Rand der linken Politszene, ein Lenin-Denkmal errichtet worden ist – zum Gedenken an dessen 150. Geburtstag.

Dieses Posting wendet sich an Leser, die mit den hier erwähnten Namen, Kürzeln, Epochen, Ereignissen einigermassen vertraut sind – deshalb keine weiteren Erklärungen über Herrn Vladimir (“Herrscher des Friedens”) und den Kontext seines “Schaffens”. Die Statue in Gelsenkirchen – einer “Ruhrpottsiedlung” mit (respektabler) Arbeitertradition zeigt Herrn/Genossen Lenin auf einem schlichten Sockel als nachdenklichen, schlichten Mann mit hoher Stirn, in Anzughose, Weste und Jackett, in der linken Hand eine Zeitung(?), scheinbar vertieft in Überlegungen oder in ein hochgeistiges Gespräch, wie diese unsere ungerechte Welt gerechter gemacht und die unterdrückten Menschenmassen endgültig befreit werden können. Lenin ist mit diesem “seinem” Versuch auf jeden Fall weltbekannt geworden – hingegen die Hundertausenden Toten, die seine ersten drei Herrschaftsjahre zurückliessen, kaum oder gar nicht. Deshalb glaube ich, wird der Bildhauer, der Lenin in Gelsenkirchen “wiederauferstehen” liess, dieser Persönlichkeit, ihrem Wirken und ihren Folgen mit seinem Pseudo-Intellektuellen-Denkmal NICHT gerecht.


Lenin-Statue in Gelsenkirchen. Originalfoto: Die Zeit. Schriftzug: Hans Hedrich

Viel eher hätte der Sockel der Statue ein riesiges Menschen- und Leichenknäuel darstellen sollen, stumm schreiende Kreaturen – Männer, Frauen, Kinder, Ungeborene(!), Soldaten, Arbeiter und Bauern, denen vor dem Tod Körper-/Geschlechtsteile abgeschnitten wurden, deren Arme und Beine gebrochen, die gepfählt, gekreuzigt, mit Säbeln zerhackt, lebend in Hochöfen, “einfach” lebendig begraben, oder lebendig neben einer Leiche im Sarg begraben wurden, deren Hände zu Folterzwecken erst überbrüht und dann gehäutet wurden, die ertränkt, gehängt, erschossen, von Ratten bei lebendigem Leibe zerfressen oder von den eigenen Angehörigen nach dem Tode aus blankem Hunger aufgegessen wurden. Dieses, sowie die Millionen Verelendeter, Entwurzelter, Enteigneter, Deportierter, Geschlagener, Verwundeter, Verstümmelter, Traumatisierter, Entmenschlichter, Verzweifelter und in Hunger, Krankheit, Alkohol, Aussichtslosigkeit und Irrsinn Untergegangener sind die MENSCHEN, deren Leben die kommunistische Machtübernahme von V.I.L. und seiner Sektierer innerhalb von 2-3 Jahren zerstört hat. Auf diesem Berg von Leichen und millionenfachem Leid FUSSTE im wahrsten Sinne die Lenins Herrschaft und deshalb stünde es Lenin auf einem weithin sichtbaren Leichenhügel oder einer imposantem Schädelpyramide viel besser als auf seinem kleinen, quadratischen Betonklotz. Denn Lenin ordnete einen Teil der Tötungen selbst an, den anderen beging die Tscheka sowie Banden und Einzelnen aus deren Umfeld – mit Wissen und unter Ermutigung Lenins, gefolgt von triumphalistischen Zeitungsberichten, damit auch jeder die “Botschaft” des neuen Regimes versteht…

Wobei dieser Sturz Russlands in die Hölle unter Lenins Herrschaft nur die Grundlage für die Hölle bereitete, die nach einer kurzen Verschnauf- und Erholungsphase in den 1920er Jahren unter Josif V. Dschugaschwilli (Stalin, der Stählerne), ab den 1930er Jahren folgen sollte. Stalins Terrorherrschaft überlagerte in der Sowjetunion die kollektive Erinnerung zu Lenins Terrorherrschaft. Und Hitlers Terrorherrschaft überlagerte im europäischen und weltweiten Bewusstsein die Terrorherrschaft Stalins. Das dürfte auch erklären, warum Lenin heutzutage, in “spätkapitalistischen” Krisenzeiten, in manchen linken Kreisen in Westeuropa unreflektiert, weil unwissend verklärt wird. Anders, als es Lenins und Stalins Bolschewiki mit den Andersdenkenden unter ihrer Knute handhabten, gehören diese Menschen nicht (moralisch) verurteilt, verteufelt oder zu Feinden gestempelt, sondern informiert und zum Nachdenken animiert – idealerweise, indem sie sich wahlweise in eines der unzähligen Opfer – und/oder Täter hineinversetzen. Die Hölle auf Erden war es für die Opfer – und die Hölle im Jenseits, falls es das gibt, für die Täter.

Weiter unten mehrere Zitate aus zwei der drei Standardwerke über die Zeit der kommunistischen Machtübernahme in Russland, die ich schon vor circa 15-20 Jahren gekauft – allerdings wegen der zu grausamen Schilderungen damals nur in Bruchstücken gelesen habe. Nun ist der richtige Moment, sie wieder hervorzuholen. Es sei daran erinnert, dass 1918-1919 auch in Ungarn und Deutschland eine kommunistische Machtübernahme versucht worden war, was ähnlich wie in Russland unmittelbar zum Aufkommen rechter/rechtsextremer/reaktionärer Kräfte beitrug.

1. Jörg Baberowski: Der rote Terror – Die Geschichte des Stalinismus (2004), S. 28-53.

“Der Terror begann unmittelbar nach dem Oktoberumsturz.
Wenige Monate später weiteten die Bolschewiki ihren Terror auf streikende Arbeiter und renitente Bauern aus, liessen Oppositionelle verhaften und erschiessen.

Die Bolschewiki zelebrierten einen Gewaltkult…
Ihr Gewaltkult stand in einer Tradition, die aus dem Glauben an die Macht der Gewehrläufe schöpfte.

Bereits in den Jahren der ersten russischen Revolution (1905) hatte sich die radikale Intelligenzija, Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Sozialdemokraten mit Psychopathen, Kriminellen und Räubern  geschmückt.
Unter solchen Umständen aber wurde die Gewalt zum Selbstzweck.
Kriminelle, Holigans und psychisch Kranke – aus diesem Kreis rekrutiete die Tscheka ihren Nachwuchs. Musikorchester spielten auf, während Tschekisten ihre Opfer töteten.

Die Opfer wurden in siedendes Wasser geworfen, gehäutet, gepfählt, bei lebendigem Leib verbrannt oder begraben oder in winterlicher Kälte nackt auf die Strasse getrieben und mit Wasser übergossen, bis sie zu Eissäulen erstarrten. 
In Penza liess der Vorsitzende der Tscheka, ein psychisch kranker Mann, die Opfer in Säcke einnähen und in Eislöcher werfen.

Bis zum Sommer 1918 herrschte in den grossen Städten, in denen die Bolschewiki die Macht ergriffen hatten, die Lynchjustiz des Pöbels.

Wenn Lenin von Insekten und Ungeziefer (…) sprach, von Adligen, die deportiert und erschossen werden müssten, dann wurde das von den Bauern als Aufforderung verstanden, jeden, den sie für einen Fremden hielten, aus ihrer kleinen Welt zu eliminieren.

Am 5. September 1918 gab die Regierung die Einrichtung von Konzentrationslagern (konclager) bekannt.
In Moskau wurden 25 ehemalige zaristische Offiziere und 765 sogenannte Weissgardisten erschossen. Lenin selbst zeichnete die Listen mit den Namen der Opfer ab.
Auf der Halbinsel Krim … ein Drama apokalyptischen Ausmasses: 50.000 zurückgebliebene Flüchtlinge wurden von Soldaten der Roten Armee ermordet. – 12.000 an einem einzigen Tag…

Die Bolschewiki gekannten sich zu ihren Taten, jede Tötungsaktion musste in der kommunistischen Presse bejubelt … werden. Lenin selbst trieb die Schergen der Tscheka zu Höchstleistungen bei der Vernichtung der Feinde an. Lenin sandte genaue Anweisungen …: “Massenterror einführen, Hunderte von Prostituierten erschiessen und deportieren lassen.”

200 Streikende (in den Putilov-Werken in Petrograd – eigene Anm.) wurden ohne Verfahren erschossen (nachdem Lenin erfolglos versucht hatte, eine Streik persönlich zu schlichten – eigene Anm.)
Lenin an das Parteikomitee von Penza im August 1918: “nicht weniger als hundert Kulaken, Reiche, Blutsauger (sollen) aufgehängt werden.” 

Lenin war ein bösartiger Schreibtischtäter, der menschliche Tragödien und Elend ignorierte.
Lenin und Trotzkij sahen in russischen Arbeitern rückständige, barbarische Kreaturen. Arbeiter, die desertierten, wollte Trotzkij in Strafbatallione oder Konzentrationslager verschicken lassen.
Trotzkij: Die Sklavenwirtschaft sei zu ihrer Zeit produktiv gewesen. Unter den russischen Bedingungen sei sie unverzichtbar.

Das neue Russland war ein Land des Terrors.
In den Exzessen des Bürgerkrieges wurde der Stalinismus zur Welt gebracht.

2. Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes, 1998, S. 682:

“Lediglich die spanische Inquisition konnte es mit der Erfindungsgabe der Foltermethoden der Tscheka aufnehmen.”
Beispiele von bevorzugten Foltermethoden örtlicher Tscheka-Einheiten:
Charkow: Hände der Opfer verbrüht, anschliessend Haut abgezogen.
Zariyzn: Knochen von Armen und Beinen der Opfer zersägt.
Woronesch: Opfer in nägelbewehrten Fässern gerollt.
Armawir: Schädel mit Lederriemen und Bolzen zertrümmert.
Kiew: Ratten in Käfig an menschlichen Körpern befestigt und erhitzt, so dass sich die Ratten zu befreien versuchten, indem sie sich durch die Eingeweide der Opfer hindurchfrassen.
Odessa: Opfer langsam in Kessel mit siedendem Wasser hineingelassen.
Odessa: Kreuzigungen aus persönlicher Rache

Generell gab es Zigtausende Fälle standrechtlicher Erschiessungen, psychischer Folter, indem Menschen die Folterung, Vergewaltigung, Tötungen ihrer Angehörigen mit ansehen mussten. Während der Folter und Tötungen lachten manche Tschekisten über die Opfer. Alkoholismus, Drogenkonsum, Psychopathie waren bei den Schergen der Tscheka weit verbreitet.

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Die beiden Bücher, aus denen ich zitiert habe, geben natürlich noch viel mehr Details preis, aber auch Kontextwissen, so z.B., dass der kommunistische Terror die Fortsetzung des zaristischen Terrors war und der Verrohung und Verzweiflung der Massen im Russischen Reich während des Ersten Weltkriegs folgte, ebenso, dass der reaktionäre Terror der “Weissen” ebenfalls extrem grausam war. 1917-1920/21 waren in Russland Jahre der Tragödie und und des Terrors, die auf vielfältige Ursachen zurückzuführen waren – und trotzdem: Die persönliche Mitschuld der “Ikone” des Kommunismus, V. I. Uljanow/Lenin an diesem kaum zu beschreibenden, geschweige denn auszuhaltenden Leid, ist als solche dokumentiert und offensichtlich – und ergab sich nicht zuletzt aus dem gewaltfixierten, messianischen Anspruch der Bewegung, die er über Jahre hinweg mit aufgebaut hatte.
Lenin war ein Massenmörder. Leider. 

Dieser Person wurde als in einer deutschen Stadt im Jahre 2020 ein Denkmal errichtet – und das, während in anderen Ländern gerade Statuen von Sklavenhändlern und Rassisten (zurecht) gestürzt, beschmiert, versenkt, oder sonstwie ihrer historisch-staatstragenden Ausstrahlung beraubt werden.
Eine Einladung zur kritischen Selbstreflexion an uns alle… Um die psychologische Barriere zu überwinden, die wir beim Lesen über den Schmerz und Tod anderer zum Selbstschutz aufbauen, lade ich dazu ein, sich wahlweise in die Lage eines der Opfer oder einer der Täter hineinzuversetzen – spätestens dann verstehen wir auch den abgrundtiefen Mangel an Legitimität der real existierenden kommunistischen Regime, die das östliche Europa in der jüngeren Geschichte erdulden musste und die es bis heute in seiner Andersartigkeit geprägt haben.

Die Lehre dieser osteuropäischen Schreckensgeschichte aus meiner Sicht: Sowohl Linksextremismus als auch Rechtsextremismus und überhaupt so ziemlich jeder –ismus, der auf dem Ausschluss und der Kriminalisierung des Anderen aufbaut, haben sich als zerstörerische Ideologien selbst entlarvt. Rechtsstaat, Demokratie, soziale Gerechtigkeit – so unperfekt sie auch verwirklicht seien, sind jene Regierungsformen, die bei weitem das meiste Gemeinwohl schaffen und sichern können. Diese gilt es von möglichst vielen von uns aktiv zu pflegen, weiterzuentwickeln, mit rechtsstaatlichen Mitteln vor Gegnern zu schützen. Osteuropäische Gesellschaften haben ihre Schwierigkeiten damit – teilweise aus oben aufgezeigten Gründen. Ihre/unsere kollektive Erfahrung mit den Gewaltherrschaften jeder Couleur und das Gespür für die Abgründe zynischer Politik in diesem Teil Europas sowie weiter im Osten und Süden ist hingegen ein Erfahrungsschatz, aus dem auch der Westen schöpfen kann, wenn er den Osten des Kontinents in seiner historisch bedingten Andersartigkeit ernst nimmt.

Kleine Ironie der Geschichte am Rande: Die MLPD veröffentlichte manche ihrer Schriften in einem Verlag namens Neuer Weg in Essen. Dieses Blog geht zwar auf den Namen eines einst ebenfalls kommunistischen Blattes zurück – als Domaininhaber und Autor des Blogs bin ich aber überzeugt, dass neue Wege in Politik und Gesellschaft nur ideologiebefreit bzw. mit  verinnerlichten historischen Erfahrungen gegangen werden können und frühere Gewaltideologien intellektuell höchstens ironisch gebrochen und aufklärerisch hinterfragt geniessbar sind.

Hans Hedrich, Politikwissenschaftler
22. 06. 2020

 

Posted by at 22/06/2020
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2 Responses to Lenin war ein Massenmörder. Leider.

  1. Intrebare says:

    Lenin a fost pus la putere cu ajutor german? Sau e doar teorie conspirationista?

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