Zur Europawahl: Mit unseren Sklavenhaendlern unterwegs nach Afrika, Suedamerika und zurueck nach Europa
RO: Ce face omul cand nu merge la alegerile europarlamentare, pt. ca oricum nu prea are ce vota? Exploreaza, de ex., pe internet istoria mai putin democratica si iluminista a Europei – de ex. epoca sclavagista si asazisul “Holocaust African” pe care l-au comis crestini, musulmani si evrei fata de populatia africana timp de cateva secole… 🙁
EN: What to do instead of voting the new MEPs of Romania, when there’s almost nobody to vote for? Better discover on the internet Europe’s less democratic and glorious past, like the “African Holocaust” inflicted on the Africans over several hundreds of years by Christians, Muslims and Jews alike… 🙁
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Was tut man so an einem europaeischen Wahltag, an dem man trotz europaeischen Bewusstseins dummerweise nicht waehlen geht, erst recht, weil es in Rumaenien kaum etwas Waehlbares gibt? Man begibt sich in den virtuellen Raum und surft, segelt und driftet auf den Wellen des weltweiten Webs in neue, bislang weniger bekannte Gefilde.
Erste Station: Salvador de Bahia an der Nordostkueste Brasiliens, ehemalige Hauptstadt des Landes, einst Sklavenumschlagplatz, heute afrobrasilianisch dominierte Karnevalshochburg (selbstverstaendlich!) und demnaechst Austragungsort von Fussballspielen v.a. europaeischer (ehemaliger Kolonial-)Staaten. Wie war das nochmal mit der Entdeckung dieses Teils der Neuen Welt durch die portugiesischen Exploratoren um das Jahr 1500? Amerigo Vespucci, der florentinische Patriziersohn und Fernsegler in portugiesisch-koeniglichen Diensten, berichtete irgendwann Anfang des XVI. Jhs. ausfuehrlicher ueber seine Entdeckungen an der Kueste eines neuen Kontinentes, so dass ein deutscher Kartendrucker aus dem Breisgau “America” als Namen fuer jene Weltgegend vorschlug…
Vespucci, Amerigo: “Mundus Novus”, deutsche Fassung, Breisgau 1507
Zweite Station: Unterwegs nach Westindien, anno 1500.
Auch wenn es ein Gemeinplatz ist, dass die “Entdeckungen” im Westen auf Initiative von Koenigen und Handelsgesellschaften/Bankhaeusern zustande kamen, die auf der Suche nach neuen Schifffahrtsrouten zu den Maerkten fuer ihre Luxusgueter, Gewuerze usw. im Fernen Osten waren, weil sie die Monopolstellung (und Profitmargen) von Arabern, Osmanen usw. leid waren, ist es doch bemerkenswert, die enge Verflechtung von Staaten und Geldgebern, Gesetzesvertretern und Handelsvertretern im entstehenden “modernen” Europa zu sehen. Denn was hat sich seither veraendert? Nicht viel. Die treibenden Kraefte politischer und gesellschaftlicher Entwicklung waren damals und sind auch heute die Plaene, Projekte und Zukunftsvorstellungen der Wirtschaftseliten. Das von ihnen geschaffene und von den Politikern mehr oder weniger erfolglos erfolgreich mitgesteuerte System heisst plump, bedeutungsschwer und abgedroschen Kapitalismus.
Dritte Station: Auf Menschenjagd im afrikanischen Dschungel.
…Denn wo Geld engros investiert wird, werden auch Handel und Wirtschaft engros betrieben – und dort bedarf es auch anderer Produktionsfaktoren in grossem Massstab. Zum Beispiel Humankapital. Also Arbeitskraefte. Menschen. Moeglichst viele und moeglichst billige. Diese raubt man sich dann “idealerweise” auf einem anderen Kontinent, wo man ihnen waffentechnisch, ideologisch und “hautfarbig” ueberlegen ist und verschifft sie kurzerhand auf die neu enstandenen Zuckerrohrplantagen in einer Gegend namens “Karibik”, von wo man wiederum Melasse zwecks Weiterverarbeitung zu Rum nach England bringen laesst und diesen zum Weiterverkauf nach Afrika weiterschickt – wahrscheinlich damit sich die zukuenftigen Arbeitssklaven leichter einfangen und verkaufen lassen.
Frische Ware eingetroffen!: Rum und afrikanische Sklaven… Mit den Kanonen hielt man sich den “Feind”, sprich Konkurrenten vom Leib. Wenn viele Sklaven- und sonstige Haendler aus einem Land mit vielen Kanonen auf viele Konkurrenten aus einem anderen Land schiessen – und die zurueck – dann nennt man das “Krieg” zwischen zwei Staaten und der wiederum geht in die “Geschichte” ein.
Vierte Station: Mitten im Industriezeitalter
Wenn man obiges Geschaeft 100-200-300 Jahre lang auf Hochtouren betreibt, hat man soviel Geld damit verdient und in Innovationen und Expansionen reinvestiert, dass man sich schwuppdiwupp im Industrie- und Maschinen- und Kolonialzeitalter wiederfindet. Und ab 1914 im Zeitalter der Maschinengewehre, denn das Geschaefts- und Kriegsmodell hat sich ja nicht gewandelt.
Fuenfte Station: Afrikanischer Holocaust
Aus Sicht jener Voelker wiederum, aus deren Reihen man zum Zwecke westlicher Weltherrschaft zig Millionen Menschen verschleppt und davon mindestens ein Dutzend Millionen umgebracht hat, nennen sich die 500+ Jahre Menschenjagd, -verkauf, -vernichtung im Nachhinein “Afrikanischer Holocaust“. Was wiederum “die Juden” stoert, da ihnen die exklusive Nutzung obigen Begriffs streitig gemacht wird, worauf wiederum die Afrikaner den Zeigefinger erheben und Christen, Muslime und Juden gleichermassen der historisch langfristigen Zerruettung weiter Teile “Schwarzafrikas” durch Menschenhandel und Versklavung anklagen – sowie der Tatsache, dass die Weltoeffentlichkeit bis zum heutigen Tag das Ausmass der von europaeisch-arabisch-amerikanischen Individen und Gruppen herbeigefuehrten afrikanischen Tragoedie gar nicht als solche wahrgenommen, geschweige denn verinnerlicht hat.
Jason DeCaires Taylor: Unterwasserskulptur vor Grenada, in der Karibik, in Erinnerung an Sklaven, die auf der Ueberfahrt nach Amerika ertraenkt wurden.
Sechste Station: Ratlosigkeit
…Und so steht man am Ende dieser Lektuere als Weisshaeutiger ziemlich perplex da. Und muss sich erst einmal vom Erkenntnisschock erholen. Denn viel mehr bleibt einem nicht, als sich still zu sagen, dass sie hoffnungslos Recht haben, die Afrikaner (und Amerindianer). Der naechste Gedankengang ist dann der, dass man sich fragt, wie es zu jener grosszuegig ignorierten Grosstragoedie kommen konnte, woran es lag, dass die/manche Vorfahren der heute ach so demokratisch-aufgeklaerten Europaeer zu solchen Unmenschen werden konnten… Bestimmt an mehreren Faktoren. Aber irgendetwas muesste ausschlaggebend gewesen sein. Vielleicht die Mythen und ueberheblichen Selbstbildern, die uns unsere monotheistischen Buchreligion einfloess(t)en? Motto: “Macht euch die Erde untertan!”
Siebte Station: Auf der Leinwand
Im Trailer zum Dokumentarfilm “500 Years Later” sagt ein afroamerikanischer Protagonist sinngemaess: “Wir werden uns doch nicht von den Nachkommen unserer Peiniger sagen lassen, dass wir unser Leiden bitteschoen vergessen sollen! ” – und lacht dabei.
Achte Station: Leiden im Vergleich – Vergleich des Leidens
…Ueber den juedischen Holocaust lacht kein Jude. Ueber die Unterwerfung der Palaestinenser durch die Israelis auch kein Palaestinenser. Ueber den Kommunismus die Wenigsten, die ihn wirklich erlitten haben. Wobei: Die oben erwaehnten Leidensgeschichten dauerten im Vergleich zur euroamerikanischen Sklavenhalterzeit “nur” einige Jahre oder Jahrzehnte. Ueber das halbe Jahrtausend lange Elend der Afrikaner unter der guetigen Knute der Araber und Europaeer koennen vor der Kamera jedoch ausgerechnet die Opfer (bzw. deren Nachkommen) lachen! Oder zumindest laecheln und zur Versoehnung einladen.
Das nenne ich Charakterstaerke und Vitalitaet in einem Ausmass, wie sie unsereinem im Abendland vielleicht gar nicht bekannt ist…
Neunte Station: Europa 2014 und Versuch einer Schlussfolgerung
Wenn jemand den scheinbar immer oefter herbeigewuenschten antikonsumistisch-antikapitalistischen Paradigmenwechsel im globalen Massstab herbeifuehren wird, dann wohl die Afrikaner/Afroamerikaner. Oder auch wir Europaeer/Euroamerikaner – aber erst sobald wir verinnerlicht haben, was “wir” im Namen “unserer” Kultur/Zivilisation/Identitaet den Bewohnern des Nachbarkontinentes – und dem Leben schlechthin – mit der groessten Selbstverstaendlichkeit an Leiden und Zerstoerung zugefuegt haben.
Zehnte Station: Erneut auf der Leinwand: “Dead Man“. Regie Jim Jarmusch; mit Johnny Depp
Eine poetische Geschichte des Untergangs des abendlaendischen Menschen auf seiner Reise in den Wilden Westen. Aus einem Traeumer und Dichter wird ein gejagter Moerder, den die “Indianer” schliesslich in die ewigen Fisch- und Jagdgruende verschicken. Ein seinerzeit nicht besonders beachteter Film des amerkanischen Kultregisseurs – wahrscheinlich auch, weil der weisse Zuschauer der Gegenwart sich nicht selbst in der Hauptrolle des verkommenen, zukunftslosen weissen Eroberers und Zerstoerers wiederzuerkennen wagte…
Bis es so weit ist, dass wir, der “stupid white man”, kapiert haben, was wir historisch angerichtet und auf wessen Ruecken wir die Reichtuemer des Westens angehaeuft haben, schreiben die Afrikaner die Geschichte ihrer Entwurzelung und Verschleppung aus Afrika durch die Weissen in einem nicht enden wollenden Reality-Drama immer weiter fort, indem sie unaufhaltsam mit ihren Booten nach Europa uebersetzen. Wobei “die Araber” schon wieder ein Geschaeft aus dem Elend der “Schwarzen” machen. Vielleicht wollen sie, die Afrikaner, uns nur unbewusst ihre anhaltende Leidensgeschichte erzaehlen und uns im Namen des Lebens zur Umkehr bewegen? (Da haben wir sie, die von den Europaeern so lange “vermisste”, verkannte Intelligenz der Afrikaner!) Irgendwann werden sie es bestimmt schaffen – spaetestens wenn sie auch in der Heimat ihrer ehemaligen Versklaver prozentmaessig so viele werden wie in den Kolonien, in die sie einst verschleppt worden waren. D.h., wenn aus uns Europaern ebenfalls Brasilianer geworden sind.
Fluechtlinge vor Sizilien. Fotoquelle: AFP