Mer walle bleiwe wat mer senj?

…oder über den fragwürdigen Stolz darauf, ein Siebenbürger Sachse zu sein und darauf, sich nicht zu verändern.
Autor: Lutz Connert

mwbwms

“Wir wollen bleiben was wir sind
Gott hilf uns und jetzt und immer.
Wir wissen was wir schuldig sind.
Den Toten und den Kindern.

Wir wollen legen festen Grund
auf Treu und Gottessegen.
Dann kommet nur, wir sehen euch
zu, das Herz könnt ihr nicht rauben.

Das Herz ist deutsch, deutsch unser
Gott, in uns und unseren Kindern.
Wir wollen bleiben was wir sind
Gott hilf uns und jetzt und immer.”
(deutsch von Wolf von Aichelburg)

…………………………….

„Mir wölle bleiwe wat mir sin“ steht in Luxemburg an einem Haus. Wir, die Siebenbürger Sachsen berufen uns darauf und haben eine Herkunftslegende daraus gemacht. Und doch… Und doch halten wir an einer Illusion fest.

Wir wissen alle, dass solche und ähnliche Verse im 19. Jh. entstanden sind. Offensichtlich war die Not, eine Identität zu finden, die ganzen 700 Jahre davor sehr gering, ja, ich wage die Behauptung, diese Identitätskrise war gar nicht vorhanden sondern sie wurde herbeigeredet. Herbeigeredet, weil, wie man heute sagt, der Trend der Zeit so war. Der aufkeimende Nationalismus bei fast allen europäischen Völkern führte bei den Siebenbürger Sachsen dazu, dass sie den nationalen Schirm suchten, unter dem es zu leben sicherer zu sein schien. Ob Michael Albert, denn von ihm stammen die obigen Verse, dieses im Auge gehabt hat, ist mir unbekannt, aber darauf kommt es hier nicht an.

Es kommt darauf an, dass die Verse immer noch zitiert werden und damit ein gewisser Stolz ausgedrückt wird: darauf, ein Sachse zu sein, darauf, sich nicht in seiner Haltung geändert zu haben, sich nicht und die Vorfahren auch nicht. Zunächst ist so eine Haltung natürlich eine Abgrenzung dem „anderen“ gegenüber, dem Rumänen, etc. Und merkwürdiger Weise auch in neuer Umgebung, dem Türken, dem Russlanddeutschen und, oh Wunder der Verwandlung, dem Deutschen auch. Ja, der Deutsche ist doch anders, als wir ihn uns in Siebenbürgen seinerzeit erträumt haben.

Die Haltung drückt aber auch einen gewissem Stolz aus, Teil eines (ich zitiere) „stolzen und unbeugsamen Volkes“ zu sein. Ich habe, in aller Bescheidenheit gesagt, gelernt, stolz auf meine eigenen Leistungen zu sein und auf sonst gar nichts. Nach Meinung mancher „Freunde“ von mir, haben da meine Eltern einen Fehler gemacht, sie hätten mir, sagen diese „Freunde“, den Stolz in die Wiege legen sollen. Mal ganz bescheiden gefragt: wie geht das? Darüber hinaus, ohne der Arroganz bezichtigt zu werden: wenn ich mir manche arme Seele unter unseren Landsleuten vorstelle (zumal in Deutschland), fehlt es mir schwer, stolz auf meine Landsleute zu sein.

Muss auch einfach nicht sein. Und was noch viel wichtiger ist: stolz auf die Geschichte der Siebenbürger Sachsen zu sein, dass ist so, als ob man ob seiner eigenen Biografie beneidet wird, gerade weil man nicht darauf stolz ist, da sie durch eigenes und durch Fremdverschulden eine mehrfach gebrochene Biografie ist, wo Sünde und Schuld und eigenes und fremdes Versagen sich die Hand gegeben haben. Wenn wir Sachsen eines gut können, dann das Verdrängen. Jahrhunderte lang hat man sich in Privilegien gesonnt, kaum waren sie weg, ging das Elend, das wir nun verdrängen, das Verdrängen des eigenen Verschuldens, los. Wir sehen uns plötzlich als Opfer, obwohl wir auch, weiß Gott, Täter waren. Bzw. unsere Vorfahren, auf die wir ja so stolz sein sollen.

Wir wollen bleiben, was wir sind: das ist auch ein Offenbarungseid, nämlich das Eingeständnis, sich nicht ändern zu können. Ich habe eben ausgeführt, dass mich der historische Kontext aus dem heraus die oben zitierten Verse entstanden sind, hier nicht interessiert, sondern der Umstand, dass sie heute immer wieder zitiert werden. Man pilgert (übrigens seit mehr als hundert Jahren) nach Luxemburg, wo der Spruch an einer Hauswand steht, um irgendetwas (was eigentlich?) zu beweisen, was man schon vor mehr als hundert Jahren nicht beweisen konnte, wie Adolf Schullerus, der „Vater“ des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuches einst schrieb, für den die damalige Reise nach Luxemburg eine „Enttäuschung“ war.

Bleiben wie man ist, wie man war, kann auch ein Fluch sein. Das Leben zwingt einen förmlich zur Veränderung, ja, das Wesensmerkmal des Lebens ist die Veränderung. Sich nicht verändern heißt letztendlich lebensunfähig zu sein.
Und darauf stolz sein? Ich bitte Sie!  Versuchen wir doch, uns auf unsere eigene Identität zu konzentrieren (so wir sie gefunden, nein, wieder gefunden haben) und auf unsere eigenen Leistungen stolz zu sein und nicht auf die (je nach Interessensgebiet) der Vorfahren, des Fußballclubs (eigenartiger Weise bei uns Siebenbürger Sachsen in Deutschland Bayern München, wieso eigentlich?), das deutsche Bier oder auf Peter Maffay (eigentlich Makai Péter). Oder, und das ist für mich der absurdeste (falls man das Wort steigern kann) Stolz überhaupt, stolz darauf zu sein, dass einer der unsrigen höchste Ämter in Bukarest anstrebt und die extreme Fragwürdigkeit einer solchen Entscheidung angesichts der mehr als traurigen politischen Konstellation in Bukarest verschweigt.

Neulich las ich in einer etwas unglücklichen Formulierung etwas über „Gäubodener Siebenbürger Sachsen“ und schrieb dazu, ob es denn auch Kanadische Siebenbürger Sachsen gäbe und, ad absurdum geführt etwa rumänische Siebenbürger Sachsen und meinte damit meine Verwandte Freunde in Siebenbürgen. Oder Pariser Siebenbürger Sachsen? Sind das die neuen Identitäten? Und was genau ist das dann überhaupt? Das sollte sich jeder von uns mal fragen.

Das Unvermögen auf veränderte äußere Verhältnisse die richtige Antwort zu haben ist die eigentliche Ursache für den Untergang des kleinen Völkchens der Siebenbürger Sachsen. Das unerbittliche Urteil der Geschichte sagt, wer die Gewinner und die Verlierer sind. Gestehen wir uns das wenigstens ein. Es wäre ein kleiner Schritt zu einer Identitätsfindung.

Wenn jeder zu seiner eigenen Identität gefunden hat, dann wird das Zusammengehörigkeitsgefühl, das Bedürfnis danach nicht mehr so wichtig. Dann werden wir alle auch Kritik aus den eigenen Reihen besser vertragen und nicht dauernd die Keule schwingen gegen angebliche Nestbeschmutzer und solche, die angeblich einen Keil in die kleine Gemeinschaft treiben wollen, wie neulich Bischof Guib es tat, nämlich die besagte Keule zu schwingen. Besser Nestbeschmutzer als Hosenscheißer, sage ich dazu nur. In wie viele Teile befürchtet Herr Guib denn noch, dass die Siebenbürger Sachsen geteilt würden?  Subatomar geht nicht, Herr Guib!

Posted by at 10/03/2013
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4 Responses to Mer walle bleiwe wat mer senj?

  1. Anonymous says:

    Aber, aber, …

    Eines der Kernprobleme eines jeden Volkes und Völkchens (darunter sind die Siebenbürger Sachsen eher subsummierbar) ist erstens die Produktion von ausreichend über die bloßer Erhaltung der “völkischen Substanz” (ein wenig mehr als 2 Kinder pro “Autochthoner”) hinausgehenden Anzahl von Nachwuchs und zweitens die Erziehung des produzierten Nachwuchses im Sinne des Volkes bzw. (Siebenbürger Sachsen) “Völkchens” …

    Einer der sogenannten “Knackpunkte” wird wohl die Mädchenerziehung sein. Suche doch einmal ein Siebenbürger Sachse mit durchschnittlichem Einkommen eine Siebenbürger Sächsin voll der “Fortpflanzungsfreude”! Na, eine so starke Laterne um so ein “Fabelwesen” aufzutreiben imstande zu sein wird sich der gar nicht zuzulegen imstande sein …

    Fazit: Es gibt nur ganz spärlich siebenbürgersächsischen Nachwuchs und dieser überaus schüttere siebenbürgersächsische Nachwuchs wird so gut wie nirgendwo mehr im traditionnellen siebenbürgersächsischen Sinne groß gezogen und beherrscht praktisch nirgendwo mehr die traditionelle siebenbürgersächsische Version der deutschen Sprache …

    Sonst noch was?

    Mehr braucht man gar nicht zu erwähnen …

  2. Elli says:

    Hallo Anonymous,

    Sie müssen auch überall Ihren bösartigen “Senf” dazugeben. Sie sind ein dermaßen arrogantes Stück “……” daß ich dafür keine Worte finde.

    Sie sind ja schon wieder so überheblich und sprechen schon wieder im Namen aller siebenbürger Sachsen…… Woher wollen Sie denn wissen, daß der “schüttere siebenbürgische Nachwuchs” nirgendwo mehr in traditionellem siebenbürgisch-sächsischem Sinne erzogen wird???? Und daß nirgendwo mehr unser siebenbürgisch-sächsisches “Platt oder Mundart” (nennen Sie’s wie Sie möchten)von unseren Kindern und Enkeln gesprochen wird, ist eine Unterstellung welche Sie überhaupt nicht beweisen können.

    Oder haben Sie jeden einzelnen siebenbürger Sachsen besucht und gesehen und gehört, daß der Nachwuchs nicht in diesem Sinne erzogen wird und daß er auch unsere “Sprache” unser “Platt” unser “Sächsisch” nicht mehr spricht???????????????????????????

    Ich kenne einige Familien wo die Kleinen mit eben diesem “sächsischen” groß werden. Also schreiben Sie über sich und nicht über das gesamte “Sachsen-Volk oder -Völkchen” “(darunter sind die Siebenbürger Sachsen eher subsummierbar)”??????????????? (was für eine gequirlte ………)

  3. Anonymous says:

    “… so gut wie nirgendwo mehr”

    “so gut wie” impliziert, dass es vereinzelt Ausnahmen geben mag und auch gibt.

    Z.B. konnte ich auf meiner Suche nach Siebenbürgersächsisch sprechenden Kindern in Rumänien solche Kinder noch ganz vereinzelt in Malmkrog entdecken. Das waren Kinder von nicht ausgewanderten Sachsen, die diese Herrn gemeinsam mit rumänischethnischen Damen hatten. Kinder von “unvermischten” Sachsen habe ich keine mehr im Lande finden können. Manche Sachsen in Malmkrog sprachen damals unverändert Sächsisch mit ihren ethnisch gemischten Kindern.

    Das war im Jahr 2005. Ob auch heute noch entsprechender “Nachwuchs” dort existiert, kann ich nicht aussagen.

    Damals sollen es vielleicht ein halbes Dutzend oder sogar noch 2 bis 3 mehr in Malkrog und ein paar im benachbarten Neudorf gewesen sein.

    Die Sache dürfte primär vom “Format” des sächsischen Vaters und dem kulturellen Verständnis der rumänisch ethnischen Mutter abhängig gewesen sein.

    Was auffiel: Alle diese Kinder sprachen dennoch vorwiegend Rumänisch. Auf jeden Fall mit ihrer Mutter und den Kindern im Dorf. Ich konnte leider nicht herausfinden inwieweit solche Kinder einzig nur mit ihrem Vater und allfällig auch noch vorhandenen älteren Verwandten noch Sächsisch gesprochen haben oder auch noch mit anderen Kindern. Ich bezweifle das auf Grund von ähnlich gelagerten Erfahrungen mit anderen untergehenden kulturellen Gruppen in Europa. Mutmaßlich haben diese Kinder nicht mit anderen Kindern Sächsisch gesprochen. Aber nochmals: Dazu fehlte es und fehlt es mir unverändert an zuverlässigen Informationen.

    Es wäre übrigens sehr schön, lieferten SIE solche zuverlässigen Informationen über unverändert Siebenbürgersächsich sprechende Kinder in Siebenbürgen! Um keine Definitionsverwirrungen entstehen zu lassen: Kinder sind Menschen bis in etwa zum Beginn der Pubertät, d.h. so ungefähr bis 12. Dann werden das Jugendliche und mit 20 sollte sogar auch der berufsjugendlichste Sachse erwachsen sein …

  4. Anonymous says:

    @Elli

    Dazu noch etwas: Siebenbürgersächsisch ist kein “Platt” sondern eine weitgehend moselfränkischen Dialekten entsprechende Version unserer hier von uns verwendeten deutschen Sprache.

    Platt wurde und wird noch immer im norddeutschen Sprachgebiet gesprochen. Es war die Sprache der Hanse und hatte auch eine eigene Orthographie. Die große Mehrzahl der deutschen wie auch anderssprachigen Einwanderer im ehemaligen Ostungarn, welche die Ausbildung des Siebenbürgersächsischen bewirkt haben, dürfte aus dem moselfränkischen Raum gekommen sein. Die siebenbürgersächsische Version der deutschen Sprache ist daher am ehesten noch mit der “modernen” luxenburger Version der deutschen Sprache vergleichbar und nicht mit den norddeutschen …

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