Toeten fuer eine Shoppingmall? Polizeiterror gegen friedliche Protestierer in Istanbul
Die gestrige Aktion der Polizei gegen die friedlichen, kreativen Protestierer in einem der letzten zentralen Parks von Istanbul, die von SPIEGEL ONLINE wie ein brutaler Polizeieinsatz – jedoch ohne nennenswerte Opfer dargestellt wird, soll gemaess Facebookberichten mehrere Todesopfer gefordert haben. Ausserdem sollen mehrere Personen durch Traenengas und Wasserkanon geblendet worden sein, sprich: sie sind fuer den Rest ihres Lebens blind. (Die FB-Meldungen von Todesopfern wurden von Mainstreammedien noch nicht bestaetigt, jedoch soll in den tuerkischen Medien ein Medienembargo zu diesem Thema eingerichtet worden sein. Auf der Petitionsseite Avaaz.org gibt es andererseits einen Emailprotest gegen Erdogan, wo ein Todesopfer durch Herzinfarkt erwaehnt wird. Das ist tragisch – und deutet gleichzeitig darauf hin, dass persoenliche Erlebnisberichte oft aktueller und praeziser sein koennen als diejenigen der Massenmedien.)
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Und dieses Land will in die EU? Ich beginne an den guten Absichten der Tuerkei diesbezueglich ernsthaft zu zweifeln (ebenso wie an denen Rumaeniens, das scheinbar mehr Probleme nach Europa importiert als Nutzen…). Wie es sich zeigt, gelten fuer eine EU-Mitgliedschaft sehr unterschiedliche, eigenltich massgeschneiderte Aufnahmekriterien, je nach Kandidat:
1. Ein Land ist tatsaechlich EU-reif, will beitreten und wird auch gerne aufgenomen (Oesterreich, Finnland, Schweden 1995). Hauptkriterium waren in diesem Fall die STAERKEN des/der Kandidaten.
2. Ein geopolitisch empfindlicher und somit wichtiger Raum mit (ost)mitteleuropaeischer kultureller Identitaet wird quasi en-gros eingekauft (10 Ostlaender 2004) und das Experiment gelingt mit im Grossen und Ganzen, ohne das einzelne Ausrutscher oder Ausbruchsversuche das Gesamtprojekt gefaehrden (Ungarn).
Hauptkriterium waren die LAGE und DAS POTENTIAL des/der Kandidaten.
3. Ein Land ist weder EU-reif, noch ueberhaupt EU-kompatibel, droht aber wegen historisch-kulturell bedingter Korruption und Kleptokatie und wegen Komplikationen mit den Minderheiten langfristig zu kollabieren oder zu explodieren – und schmuggelt sich deshalb mit Taschenspielertricks unter die Bruesseler Fittiche, wo es (vergeblich) und muerrisch den Nachhilfeunterricht im kleinen Einmaleins der Rechtsstaatlichkeit ueber sich ergehen laesst um dann gegen die Einmischung des boesen Westens in seine inneren Angelegenheiten zu protestieren. Hier muss sich die EU schon zaehneknirschend auf der Nase herumtanzen lassen. (Rumaenien, Bulgarien nach 2007)
Hauptkriterium waren die SCHWAECHEN des/der Kandidaten.
4. Ein Land ist gross und reich genug genug und hat ausser einer geostrategischen Schluesselposition, einer imperialen Vergangenheit und minderheitenverachtender/-vernichtender Staatstradition auch eine demographische Macht mit grossen kompakten Bevoelkerungsgruppen in Westeuropa, so dass es sich im Zweifelsfalle erlauben kann, die Tuer zur EU mit Gewalt aufzustossen um sich quasi selbst und entgegen aller Spielregeln zum Clubmitglied zu ernennen – so wie einst Napoleon zum Kaiser. (Tuerkei)
Hauptkriterium wird das ERPRESSUNGS- UND BEDROHUNGSPOTENTIAL des Kandidaten sein.
Was hierbei Besorgnis erregt, ist der Trend weg von der wirtschaftlichen UND demokatisch-rechtsstaatlichen Reife als Aufnahmekriterium hin zum geopolitischen, bestenfalls wirtschaftlich motivierten Beitritt. Eine Aushoehlung und Anpassung europaeischer Standards nach unten wird deshalb in den “marginalen” Bereichen der Demokratie nicht ausbleiben koennen und Europas Identitaet und Wertehierarchie auf eine harte Probe stellen… Was dabei immer mehr auf der Strecke bleibt bzw. wie es um die Menschenrechte im Europa des Jahres 2025 aussehen wird, koennen wir gerade in einem zukuenftigen ehemaligen Park in Konstantinopel sehen – und werden es bald wieder vergessen.
Bis uns die Wahrheit einholt.