Tibet im Szeklerland

Dienstag, 06. 11. 2012
07.30: Der Wecker klingelt zum dritten Mal innerhalb von 30 Minuten. Muss endlich aufstehen, den Brotteig in den Backofen schieben zum ausbacken. Ohne selbstgebackenes Schwarzbrot verreise ich nicht! In Rumaenien gibt es kaum Brot, dass den Namen wirklich verdient – nur in Tueten verpackte weisse Schwaemme aus Teig und Emulgatoren.

12.30: Los geht’s ins Szeklerland – diesmal (wieder einmal) zu den Holzdieben und zu den Flusszerstoerern (illegale Kleinwasserkraftwerke). Nehme in Keresztur ein paar Anhalter mit nach Udvarhely und in Udvarhely welche nach Szentegyhaza. Erstere geben mir 20 Lei (sehr viel), von den letzteren will ich nichts annehmen – die fahren auf ein Begraebnis.

15.00: Verhandlungen mit der Projektmanagerin der Umweltstiftung in Csikszereda, die mein Umweltreportagenprojekt finanzieren. Zwei Projektmitarbeiter aus Bukarest versuchen mich uebers Ohr zu hauen – es geht um mehrere Tausend Lei Projektgelder und ich habe keine Lust fuer deren krumme Dinger persoenlich geradezustehen.

16.00: Schaue nochmal auf der Landkarte nach, wo das Uz-Tal ist (irgendwo nach links). Dort werde ich Ausschau halten nach illegal gebauten Kleinwasserkraftwerken.

16.30: Uz-volgye/ Valea Uzului/ Uz-Tal, etwa 25 km SO von Csikszereda. Eine andere Welt! Eine Art Hochtal in ueber 1000m Hoehe. Nichts als Berge und Tannenwaelder, die an diesem Novemberabend Kaelte ausstrahlen. Das Tibet der Szekler sozusagen. Ein rauhes und doch nicht abweisendes (ehemaliges) Naturparadies. Entlang der Strasse zieht ein Trupp Elektroinstallateure Stromleitungen auf. Die Strasse selbst wurde uebrigens von der Betreiberfirma der Kleinwasserkraftwerke kurzerhand fuer gesperrt erklaert…

17.00: Es wird bald dunkel. Der Weiler Csinod liegt mittendrin in dieser weltfernen Landschaft. Frage im improvisierten Dorfladen nach und schon finde ich eine Bleibe. Meine Gastgeber sind Csangos , also “abgewanderte Szekler”; sie haben ausser einer Ferienhuette auch guten hausgemachten Kaese, Milch, Eier – und ein Beduerfnis zu erzaehlen. Es gibt in diesem Miniort viel Interessantes: z.B. viele junge Familien im Ort mit vielen Kindern(!), eine Schule aber leider keine Post mehr, draussen im Wald Baeren, die traechtige Kuehe toeten, Subventionen fuer Milchbauern aber keine Milchannahmestelle mehr, rumaenische Foerster aus dem Kreis Bacau, die den ungarischen Waldbesitzern den Wald stehlen (lassen), eine ehemalige Kaserne der ungarischen Honved ein paar km flussabwaerts und Kleinwasserkraftwerke. Morgen frueh will ich dort hin. (Foto oben: “Bauarbeiten – Strasse gesperrt”)

19.30: Es gibt in Csinod ausserdem noch eine Enkelin eines Grafen Banffy, von Beruf pensionierte Lehrerin, von Berufung kosmo-oekologische Philosophin. Sie lebt in der Zehn-Quadratmeter-Huette gleich neben dem Haus meiner Gastgeber. Im rosa Pyjama liegt die Philosophin im Bett. Sie hat Rueckenschmerzen und ein Beduerfnis zu erzaehlen. Davon, dass es in den Bergen hochbetagte rumaenische und ungarische Einsiedler gibt, die in Hoehlen hausen und die Gesetze des Lebens, der Suende und des Karma kennen und wissen, was die Zukunft bringen wird. (Nichts Gutes!). Ausserdem weiss sie, dass es eine Verschwoerung zur Versklavung von Rumaenien und Ungarn gibt, denn im Uz-Tal verlaeuft eine energetische Linie kosmischer Energie – und irgendwie geht’s um diese Energie und diejenigen, die darueber bescheid wissen, denn der CIA hat natuerlich kein Interesse, dass es solche Menschen auf der Welt gibt, weil es den westlichen Versklavungsabsichten entgegensteht… Hab das hoffentlich korrekt wiedergegeben! Zum Beweis der Verschwoerung sind die Lebensmittel im Kaufland nachgewiesenermassen giftig – jedoch nur in Rumaenien. Die in den deutschen Kauflaendern sind jedoch nicht giftig. Sagt die Philosophin. Was zu beweisen war! (Foto oben: Weil sie klein sind, sieht man sie kaum: 6 Dorfkinder auf dem Weg zur Schule)

20.20: Die Welt ist ein lebendiger Organismus und deshalb raecht sich Mutter Erde gegen die Erbauer der Kleinwasserkraftwerke im Uz-Tal, indem sie Duerre uebers Land bringt – legt die Philosophin weiter dar bzw. nach. (Das finde ich wiederum schlau von Mutter Erde, wie sie den illegalen Bauprojekten ganz diskret eins auswischt!) Im Uz-Tal lebte uebrigens vor 300 Jahren die Hochkultur der Uzen, klaert mich die Philosophin weiter auf – eine aus dem Himalaya eingewanderte Bevoelkerungsgruppe. Leider ist von ihr nach den Kurutzen-Kriegen nichts uebriggeblieben. (Das finde ich wiederum schade!)  Beim Erzaehlen streckt die Philosophin ab und zu ihr Bein unter der Decke hervor. Ich schaue aufs Bein. Es ist 20.30.
(Foto oben: Die Huette der Enkelin von Graf Banffy.)

Wer sich zu spaeter Stunde langweilt, die Gluehbirne und die Fliegen an der Decke seines Gaestezimmers zu betrachten, dem empfehle ich Uz Bence, einen der typischen, lehmig-erdenschweren Romane des umstrittenen Szekler Depri-Schriftstellers Nyirő József ueber Land und Leute in diesen Gegenden. (Ueber moegliche Gruende magyarischer Depressionen in Transsylvanien siehe weiter unten.)


07. 11. 2012

08.00: Fahre weiter bergab durchs Uz-Tal und finde mehrere Baustellen von Kleinwasserkraftwerken. Der Flusslauf drumherum und entlang der Schluchten aufgewuehlt von schwerem Arbeitsgeraet, das einst unberuehrte, wildromantische Flussbett entgegen der gesetzlichen Bestimmungen veraendert, verengt, verunstaltet. Mache Fotos und Videos. Als Naechstes werden wir Informationsanfragen an die zustaendigen Behoerden schicken – und wenn alles gut geht, beginnen wir ein paar Verwaltungsgerichtsprozesse gegen selbige, um dieses Massaker an unseren Gebirgsfluessen irgendwie zu stoppen. Vielleicht stoppen wir tatsaechlich die illegalen und die zerstoererischten Projekte und lenken zukuenftige Bauvorhaben in legale Bahnen und in landschaftlich und von der Artenvielfalt her weniger sensible Gebiete. Moeglicherweise traeume ich aber wieder einmal und vergesse dabei die Realitaet: Der Staat war und ist in Rumaenien kein Staat im eigentlichen Sinne, der (u.a.) auch das Wohl seiner Buerger verfolgt, sondern ein Konglomerat miteinander um Macht und Geld streitender Machtgruppen, getarnt als Parteien, Geheimdienstfraktionen, Medienunternehmen und Behoerden – wobei genannte Institutionen vor allem Instrumente in diesem Gerangel zu sein haben. Der Buerger, sofern er als solcher ueberhaupt in Erscheinung treten kann, ist unerwuenscht und soll sich gefaelligst nur um sein Ueberleben in dieser staatsmafioesen Matrix kuemmern!

Bauherr: s.c. Hivatalos srl. Csikszereda/Miercurea Ciuc; erbaut von Xindex Eco LLC “und 300 Szeklern”

Hurra, wir produzieren bald “gruenen Strom” “fuer eine gruenere Zukunft” (Slogan des Bauherren)!

Was ich sonst noch unterwegs zu Gesicht bekomme: Ganz weit unten im Tal – man waehnt sich schon laengst in der Moldau, eine Kampf- und Gedenkstaette der ungarischen Honved-Armee von anno 1918 und 1944. Bin schon fast durch die ganzen Ostkarpaten durch, aber immer noch im Kreis Hargita! Und ziemlich genau an dieser Stelle, bei den “Kasernen”, treffen seit 1000+ Jahren Abend- und Morgenland geographisch aufeinander. Beaeugen, beschnuppern, befummeln, bekaempfen sich seither innigst. Und nichts anderes passiert mit den illegalen Kleinwasserkraftwerken und der Plage der illegalen Forstwirtschaft: morgenlaendische Korruption unterwandert abendlaendisch inspierierte, jedoch hier kaum vorhandene Rechtsstaatlichkeit und fachliche Kompetenz. Die Ungarn als Abendlaender im Osten verteidigen im Szeklerland ihre Identitaet und indirekt die Kulturgrenze des Abendlandes. Ziemlich allein und vom dekadenten Abendland verlassen und verraten – so zumindest der Tenor des grossmagyarischen Klageliedes. Shit happens! Die Rumaenen wiederum unterlaufen und konterkarieren die magyarischen Bemuehungen zum kulturellen, demographischen, sprachlichen Selbsterhalt bewusst und systhematisch – auch nach dem EU-Beitritt – und nennen es “vorbildhaften Minderheitenschutz”. Stattdessen laeuft rumaenischerseits seit bald einem Jahrhundert ein ‘erfolgreicher’ Sprach-, Wirtschafts-, Kultur-, Siedlungs- und Verwaltungskampf mit aufgesetztem Schalldaempfer gegen alle nichtrumaenischen Siebenbuerger.

Bei den “Kasernen”. Hier ist sowas wie der oestlichste Punkt des “Westens”

Diagnosen und sonstige Fehlschluesse:
– Weissbrot ist ein Attentat auf die Volksgesundheit und kein Menschenrecht!
– Die Bukarester muehen sich redlich, die negativen Vorurteile/Meinungen ihnen gegenueber zu bestaetigen.
– Die Moldauer Foerster ebenfalls.
– Die ungarischen Investoren in Kleinwasserkraftwerke bemuehen sich redlich, die positiven Vorurteile ihnen gegenueber zu widerlegen.
– Wo der Mensch koerperlich hart arbeitet und davon nicht reich wird, macht er gerne viele Kinder.
– Der Mensch breitet sich im Revier des Baeren aus und nicht umgekehrt.
– Jahrzehntelang verdraengte Spiritualitaet im Osten Europas fuehrt heute dazu, dass die Lebensmittel im Kaufland vergiftet sind.
– Mutter Natur weiss, was gut fuer ihre Kinder ist.
– Schade um die Uzen und ihre unbekannte Hochkultur!
– Im Osten geht die Sonne auf und das Abendland unter.
…Und kaum jemanden kuemmert das.

Am Ende des Uz-Tales der schon aeltere Uz-Stausee im Kreis Bacau/Bako.

Zeitlos: Eines der vielen gut erhaltenen, bewohnten traditionellen Wohnhaeuser in Darmanesti, dem Staedtchen am Uz-Stausee, Kreis Bacau. Hier beginnt sozusagen der Westen des Ostens. 

Posted by at 07/11/2012
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7 Responses to Tibet im Szeklerland

  1. Peter says:

    War spanned zu lesen. Aber wer weiß schon, ob nur die Förster aus der Moldau illegal Holz schlagen. Und interssant wäre natürlich zu hören, was die Leute von der anderen Seit über das Uz-Tál sagen 😉
    Aber danke für deinen Einsatz!

  2. hans says:

    hallo, peter, es war gewiss nicht mein letzter besuch dort! versuche mehr zu erfahren aus moeglichst vielen perspektiven!

    PS: sehr interessant deine webseite! werde sie mir demnaechst in ruhe anschauen!
    szia!
    h

  3. Szandman says:

    … recht interessanter Bericht!

    Zum Brot: In Seklerburg kann man durchaus so einigermaßen genießbares Mischbrot erwerben. Seklerburg scheint der einzige Ort in Rumänien zu sein wo es genießbares Bier (Seklerburger, das allerdings in der in Bukarest zusammengebrauten und in Blechdosen abgefüllten Version nicht einmal zum Füße waschen geeignet zu sein scheint) und essbares Brot zu kaufen geben dürfte. Ansonsten nur grässliches Gesöff und amorphe schaumgummiähnliche Kohlehydrat/Chemiebomben …

    Was da zu Tschangos geschrieben wurde sollte mal besser mit Tschangos diskutiert werden. Tschangos gibt es z.B. in Klescha und anderen Orten in der Moldau, vor allem im Gerichtsbezirk Bachau. Derzeit sind tumbe und wichtigmacherische Madjaren gerade feste damit beschäftigt die allerletzten Reste der Tschangokultur zu liquidieren. Was “perfide Werbes” durch Jahrhunderte nicht geschafft zu haben scheinen dürften “schlaue Madjaren” in Nullkommanichts schaffen …

    Nicht zu vergessen: Im Tschangoland kann man mit etwas Geschick wohlschmeckenden aus nichtveredelten Virginiatrauben gekelterten Wein erwerben. So was ist sonst in ganz Rumänien nicht leicht zu bekommen.

    Ansonsten deckt sich vieles aus diesem charmanten Bericht mit meinen (unseren) Erlebnissen vor Ort von vor 8 und 9 Jahren. Wir sind dort mit Kindern herumgekoffert um denen Gelegenheit zu bieten auch diesen Teil madjarischer Kultur kennen zu lernen.

    Vielleicht sollte man solche Fahrten in etwa im Dekadenabstand wiederholen um “nachzuschauen“?

    • hans says:

      danke fuer diese interessanten ergaenzungen, szandmann!
      dem ist meinerseits nicht viel hinzuzufuegen, ausser, dass die csangos nachgewiesenermassen (bericht des europarates vor etwa 9-10 jahren) hauptsaechlich unter rumaenisierungsdruck standen und stehen und kaum unter magyarisierungsdruck.
      ob heutzutage auch nationalistische ungarn um die csangos werben, weiss ich nicht, ist aber durchaus denkbar – warum sollten sie nicht aehnliche fehler begehen, wie die rumaenen? 😉
      uebrigens: ein gewisser tanczos vilmos ist einer der bekanntesten csango-experten in siebenbuergen. vielleicht laesst sich aus seinen schriften noch so manch interessante erkenntnis zu dieser kulturgruppe herausdestillieren.

      mit gruss,
      hans hedrich

  4. Szandman says:

    Die Sache mit dem Romanisierungsdruck bei den Tschangos hat schon ihre Berechtigung. Aber, sooo einfach ist es leider nicht!

    Der größte “Romanisierungsdruck” dürfte von der römisch-katholischen Kirche ausgeübt worden sein, die sich – glaublich auf Grund von Abkommen zwischen dem Vatikan und Rumänien – immer geweigert hat Messen für die Tschangos in deren Version von Madjarisch lesen zu lassen. Nicht einmal in “ordinärem Madjarisch” …

    Das große Paradoxon ist dabei, dass ein guter Teil des römisch-katholischen Klerus´in Rumänien aus der Tschangogruppe rekrutiert werden dürfte und das seit einem geraumen Weilchen …

    Dass die diversen Werbesregimes – leider viel zu erfolgreich – auch das Ihre dazu beizugetragen versucht haben, dass die Tschangos nicht viele Möglichkeiten mehr hatten und haben für “qualifiziertere Angelegenheiten” ihr eigenes Idiom zu verwenden ist vollkommen richtig, aber nur eine Facette der komplexen Problematik.

    Wir lebten 2003 und 2004 insgesamt ein paar Wochen in Tschangodörfern und konnten diese komplexe Problematik ein wenig beobachten. Wenn z.B. von “madjarischen Entwicklungshelfern” aus Klausenburg auf den Vorhalt ob es denn nicht – wir fragten natürlich ganz höflich: “Vielleicht” – zum angeblich angestrebten Erhalt der bodenständigen Tschangokultur am besten wäre zuerst so rasch wie nur möglich die noch vorhandene Tschangosprachkompetenz zu erfassen und möglichst effizient dafür einzusetzen, dass am besten flächendeckend in noch bestehenden Tschangogemeinden zumindest die Grundschulkinder Unterricht in ihrem angestammten Idiom genießen können, die Antwort bekommt, dass die “dickköpfigen und faulen Tschangos“ zuerst einmal anständig Madjarisch reden, lesen und schreiben lernen sollen, dann konnten wir über soviel beinahe grenzdebil wirkende Borniertheit und daraus ableitbarer offenkundiger Dummheit nur noch den Kopf schütteln …

    Das moderne Standardungarisch dürfte die möglicherweise noch bestehenden Reste der alten Tschangokultur weit nachhaltiger “zertrümmern” als das Blesche. Wenn schon aus keinen anderen Gründen, dann deswegen da die Tschangos gegenüber allem Bleschen traditionell überaus misstrauisch waren und damit so irgendwie umzugehen gelernt haben. Zur Abwehr des völlig lächerlichen madjarisch “mutterländischen” Suprematsanspruches waren sie bislang vermutlich nicht in der Lage. Vielleicht ist einigen Tschangos heute schon “der Knopf aufgegangen” und sie wollen die zum Teil rotzfrechen Einflüsse der “Mutterlandungarn” und diverser madjarischer G´schaftelhuber aus Klausenburg und dem Seklerland bereits auf ein erträgliches Maß zusammenstutzen.

    Die Horden dämlicher mit Bussen herangekarrter mutterlandungarischer Touris die man oft in Tschangodörfern “bewundern” konnte waren auch nicht so ganz ohne. Irgendwie konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da “Eingeborene im Lendenschurz” gesucht/besucht worden sind …

    Das Wichtigste dürfte vor allem sein, dass die Mutterlandungarn zumindest finanziell und ganz allgemein wirtschaftlich ebenso flach sein dürften wie die Werbesadministration. Ungarn wurde von EU & Co genauso gründlich ausgeplündert wie Bleschlund und ist wie Bleschlund im Grunde schon seit Jahren de facto zahlungsunfähig. Die haben fast nichts und können auch wirtschaftlich fast nichts! Es gibt weder eigenständige ungarische noch eigenständige rumänische Wirtschaftsunternehmungen in nur irgendwie relevanter volkswirtschaftlicher Größe mehr. Beide Länder sind zu verlängerten Werkbänken an denen eingeborene Billigstlohnmalocher von den Nachkommen der gewendeten ehemaligen bolschewikischen Nomenklaturadrecksäcke im willfährigst erfüllten Auftrage der neuen Dominanz kuschend unter der Knute gehalten zu fronen haben verkommen.

    Will ein Tschango ein wenig Geld verdienen, dann muss er sowohl auf die aus Tschangosicht gewiss wenig erfreulichen Werbes wie auch auf freche Ungarn und Madjaren aus Bleschlund besser verzichten. Von beiden bekommt er als “gewöhnlich sterblicher Tschango” einen großen Schmarren … Dass es Tschangofamlien geben soll die an der komischen “ungarischen Sache” ganz gut verdienen sollen mag durchaus stimmen, aber davon hat ein popeliger “Normalo” von Tschango Null!

    Die Löhne in Ungarn sind mittlerweile nur noch marginal höher als in Bleschlund. Anders formuliert: Die Ungarn verdienen in Ungarn ebenso eine Dreck wie die Leute in Rumänien! Was soll es für einen Sinn ergeben, dass vernünftige Tschangos die “ungarische Pille” runterwürgen sollen? Ersetzt man einen bettelarmen rotzfrechen Supremator durch einen anderen so wird das kaum eine substantielle Verbesserung der als recht misslich eingeschätzten eigenen Lage bringen können.

    Damit soll nicht über Konkretes bei den Tschangos geklagt werden. Wir genossen deren Gastfreundschaft und versuchten damals tschangosprachige Kinder an der Grenze zum Schulalter als Spielgefährten für unsere mitgebrachten Kinder aufzutreiben. Das hat sich als völlig unmöglich erwiesen. Es schienen bereits damals kaum noch Kinder im Vorschulalter des Tschangoidioms mächtig gewesen zu sein. Wir vermochten zumindest an keine heranzukommen! Es wäre sicher für eine vielfältigere madjarische Erziehung unserer Kinder überaus attraktiv gewesen sie auch in ein sprachliches Tschangomilieu von damals Gleichaltrigen wenigstens für einige Tage “einzutauchen” da das Tschangoungarische der einzige noch bestehende „wirkliche madjarische Dialekt“ sein dürfte. Wir machten so was z.B. so halbwegs erfolgreich auch in Kaiserbad (Tuschnad) im Seklerbereich.

    Dazu noch soviel: Das soll kein Versuch sein zu behaupten den Stein des Weisen zum Verständnis oder gar der Lösung aller Tschangoproblematik in der Hosentasche mit sich zu führen, aber schon ein ehrlicher Versuch zu beschreiben was nun einmal – gewiss aus recht subjektiver (vielleicht sogar mitteleuropäisch zentrierter) Sicht – damals vor Ort im Tschangoland beobachtet werden konnte!

  5. hans says:

    spannend und sehr insider-maessig, szandman! danke! das ist einen eigenen blogbeitrag wert! (das war eben eine einladung! 😉

    was ich ebenfalls erfahren hatte, ist die abwehrreaktion und scheinbar ueberraschende wieder-hinwendung junger csangos zum rumaenischen, sobald sie im szeklerland oder in kburg auf ungarn treffen, die sie misstrauisch-kolonisatorisch beaugen und ‘anmach(t)en.

    auf einer tschangokonferenz 2004 im teleki-institut wiederum erinnere ich mich bestens an eine tschango-ungarin, die unter traenen unagrischsprachige messe in der kirche in palanka oder dort irtgendwo verlangte und der ebenfalls anwesende tschango-rumaenische priester sagte nur mechanisch: “das geht leider nicht, weil es kompliziert ist.” (obwohl das gesetz das ungarische in schule und kirche erlaubt, wenn es die einheimischen verlangen.)

    letzter gedankengang: einige der haertesten romania-mare-securisten sollen renegierte tschangos sein. namen habe ich nicht parat, dafuer aber die quelle, von der ich das hegoert habe.

    bei weiterem interesse am thema, kann ich kompetenteste gespraechspartner empfehlen!

    bun seara kivanok! 😉
    hans hedrich

    PS: (auf ausdruecke wie ‘werbes’ in zukunft bitte lieber verzichten… danke!)

  6. Szandman says:

    Ad PS: (auf ausdruecke wie ‘werbes’ in zukunft bitte lieber verzichten… danke!)

    Mich amüsieren solche Ausdrücke!

    Für mich ist die Bezeichnung “Bindsandalenträger” ebenso wenig pejoristisch zu verstehen wie es die Bezeichnung “Kamerad Schnürschuh” für Österreicher einst war.

    Solche Bezeichnungen halte ich für eine liebenswerte ein wenig „historisierende“ Reminiszenz an längst vergangene Zeiten.

    Gerne verwende ich selber die Bezeichnung “Marmeladinger” für Reichsdeutsche aller Art. Dies obwohl ich durchaus weiß, dass sie einst ein klein bisschen abwertend war. Allerdings denke ich, dass die Marmeladinger ausreichend über Humor verfügen um darüber herzhaft zu lachen. Derartige Spitznamen haben sich nun einmal im Laufe von Generationen eingebürgert und sollten schon deswegen nicht in Vergessenheit und aus der Übung geraten.

    Ganz offen ordinäre und abwertende Bezeichnungen wie z.B. “Schluchtenscheißer” zu gebrauchen sollte schon alleine der gute Geschmack verbieten.

    Bindsandalenträger ist für mich a priori absolut nichts Pejoratives. Im Gegensatz zu denen von Stiefelträgern “duften” die Füßchen von Bindsandalenträgern wegen der effizienteren Ventilation mutmaßlich weit weniger häufig intensiv nach Valeriansäure. 🙂

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich ein Werbes an so einem Ausdruck stoßen könnte!

    Viel eher halte ich das ganze Herumgetue um solche Ausdrücke für typische Versuche Gummibegriffe wie z.B. die unsägliche “politische Korrektheit” von Seiten gewisser Gruppen heranzuziehen um ihr grausliches Süppchen für die unbedarfte Mehrheit damit zu kochen. Sprache wird ganz bezielt verändert um einzuschüchtern, um zu verunsichern, um “Schuldgefühle” zu produzieren, um …

    Mir ist zeitlebens auch noch nie ein nur halbwegs ernst zu nehmender Zigeuner über den Weg gelaufen der sich am Ausdruck Zigeuner gestoßen hätte. Dass ein Ableitungskonstrukt “Ziehgauner” für diesen mutmaßlich aus dem Griechischen stammenden Ausdruck purer Schwachsinn ist, wissen die Intelligenteren sowieso und den Anderen dürfte das reichlich egal sein …

    In der Sache selbst hielte ich es für erfreulich, wenn sich mittlerweile wenigstens einige Tschangos aufraffen konnten dem Treiben mutterlandungarischer und diverser madjarischer Schwachköpfe aus dem eigenen Land die Stirne zu bieten.

    So nebenbei: Wann werden die betrüblich traurigen Reste der Siebenbürger Sachsen so was auch endlich lernen?

    Das Kernproblem der Tschangobevölkerung ist die eklatante wirtschaftliche Schwäche ihrer Ortschaften. Eine Lösung dieses Kernproblems scheint mir bis auf weiteres nicht in Sicht zu sein. Daher vielleicht noch stärker als sonst sowieso bereits überall in Rumänien diese alles zu zerstören drohende massive Abwanderung.

    Es böten sich gewiss viele Vergleichsansätze zum Auswanderungsphänomen bei der rumäniendeutschen Bevölkerung an.

    Temporäre Wanderung muss nicht bereits per se unbedingt negativ sein. Solange es zumindest zum Stabilhalten der bestehenden Population ausreichend Kinder gibt und diese Kinder in den Ortschaften bei den Großeltern und ihrem kulturellen Milieu verhaftet verbleiben dürften sich kaum irreversible Prozesse abspielen. Erst wenn Kinder in anderen Milieus aufwachsen und der kulturellen Familientradition entfremdet werden erfolgt ab einer gewissen Intensität solcher Vorgänge der “ethnische Kollaps” wie man ihn z.B. bei den Siebenbürger Sachsen leicht konstatieren kann.

    Geht die Zerstörung – für deren Kausalität unzweifelhaft die neue Dominanz verantwortlich zu zeichnen hat was ihr jedoch ebenso unzweifelhaft herzhaft egal sein wird solange allfällige Widerstandsaktionen der rumänischen Landesbevölkerung durch NATO-Soldateska niedergehalten werden wird können – Rumäniens in gleichem atemberaubenden Tempo ungehemmt weiter wie in den abgelaufenen zwei Dezennien, dann kann eine derartige negative Entwicklung rasch das gesamte Land erfassen und sozial wie auch kulturell “in Brand stecken”.

    Seit dem Militärputsch mit anschließendem – ziemlich offensichtlich angeordnetem – “Tyrannenmord”, das dafür im Expresstempo abgespulte „Verfahren“ dürfte selbst für viel derartiges „historisches Ungemach“ gewohnte Rumänen ein fieser Hintertreppenwitz gewesen sein – von 1989 hat das Land nach offizieller Lesart (Zählungsergebnisse von 2011) bereits rund 1/4 der vor dem Putsch residenten Population durch Massenflucht der produktions- und reproduktionsfähigen Bevölkerungsteile des Landes eingebüßt. In Wirklichkeit soll nach diversen kompetent wirkenden Aussagen und Schätzungen die tatsächlich residente Bevölkerung nur mehr ca. 16 Millionen Menschen betragen und der Menschenverlust in diesem Zeitraum bereits ein Drittel der residenten Landesbevölkerung vor dem Militärputsch betragen.

    Es erstaunt, dass diese für Land, Kultur und im Grunde genommen fast alles in Rumänien potentiell letale Entwicklung in einem derartigen Ausmaß dissimuliert zu werden scheint und es ganz offensichtlich auch keine nach außen hin erkennbaren Widerstandsbewegungen dagegen zu geben scheint …

    Tja, anhand von Entwicklungen bei relativ kleinen Ethnien zwingen sich rasch vielerlei Schlüsse auf da alles überschaubarer wirkt als bei volkreicheren Sozietäten.

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