Teilzeitcowboy in Transylvanien (II). Erste voyeuristsche Eindruecke

Tag 1:
06.30h: Wache mit dem Gedanken auf, dass gegen 7h die Kuehe gemolken werden muessen. Der Arbeitstag kann beginnen – fuer Calin und Florin, die armen Kerle, die jetzt wohl mit Mistgabel und Schaufel im stickig-stinkigen Stall hantieren muessen. Drehe mich deshalb mit Mitgefuehl auf die andere Seite und schnarche weiter bis 08.30h.

08.30h: Fit und munter bereite ich mir ein deftiges Fruehstueck zu – es wartet ja ein langer Arbeitstag auf mich!

09.30h: Entschlossen und arbeitsfreudig stiefele ich hinueber zu den Kuhstaellen mitten im Dorf. Zum Glueck Leider gibt es um diese Zeit im Stall schon nichts mehr zu tun – Kuehe fressen problemlos auch ohne fremde Hilfe! – und die beiden Burschen sind deshlab laengst wieder heimgegangen. Ich ueberzeuge mich im Stall innert 33,5 Sekunden, dass die Milchviecher gluecklich und zufrieden vor sich hinkauen und laufe ebenso gluecklich und zufrieden wieder heim um selbst auch etwas zu kauen.

15.00h: Um diese Zeit ist wieder Entmistungsprogramm, habe ich mir sagen lassen. Ueberzeuge mich deshalb vor Ort innerhalb 17,9 Sekunden, dass der Kuhbursche das auch sehr professionell und zur Zufriedenheit der Milkatiere macht. Im Hof kommt mir ein (armes) halbes Schwein entgegen – auf der Schulter eines der beiden Stallburschen. Gestern waelzte es sich noch ganz und gemuetlich im Stall vor meiner Fotolinse. Die andere Haelfte des Schweins liegt uebrigens auch nicht mehr im Stall, wie ich anschliessend feststelle. Und vor dem Stall ist der Schnee voller roter Flecken – und drumherum viel Stroh. Irgendwas muss passiert sein…

17.00h: Aufgrund meiner Recherchen weiss ich inzwischen, dass um 17h erneut gemolken wird. Den Moment will ich unbedingt festhalten, so dass ich gegen 17.10h wieder knipsbereit im Stall stehe. Stalljunge 2 teilt mir jedoch mit, dass sie laengst gemolken haetten.
Ich: “Wolltet ihr aber nicht um 5h beginnen?”
Er: “Doch, haben wir! Acht Kuehe zu melken geht aber schnell! Im Winter geben sie nicht viel Milch!”
Ich: “??? Immerhin, acht Kuehe… Wieviel habt ihr gemolken?”
Er: “Sechs-sieben Liter”
Ich: “Verstehe, sechs Liter pro Kuh. Das ist nicht viel, stimmt”
Er: “Nein, sechs Liter von acht Kuehen! In der Frueh geben sie dafuer etwas mehr!”
Ich: “Aha”

17.30h: Ablieferung bei der Milchannahmestelle: Milchmenge messen, ablesen, Milch einfuellen in den Stahltank, Menge eintragen ins Verzeichnis. Es waren heute abend immerhin 7,5 Liter! Abgerechnet wird monatlich – vermute ich mal… 7,5 X 0,80 Lei ist gleich 6 Lei plus cca. 10 Lei fuer die Morgenmilch ist gleich 16 Lei einnahmen pro Tag. Wunderbar! Das reicht ja fast fuer mein Tageloehnergehalt von 20 Lei! Schade nur, dass fuer die Stallburschen heute nichts mehr uebrig bleibt! 🙁

18.00h: Feierabend! Bruttoarbeitszeit heute: cca. 46 min. 10 Sek. (einschl. 3 X Fussweg je 15 min. zum Stall und zurueck). Daraus ergibt sich eine Nettoarbeitszeit fuer den heutigen Tag von genau 1 min. 10 sek. Komme folglich bei 20 Lei Gehalt fuer 1 min 10 sek Arbeitszeit auf einen Teilzeitcowboy-Stundenlohn von schaetzungsweise 1000 Lei (220 Euro). Nicht schlecht fuer’n Anfang. Und schliesslich ist das hier Rumaenien und nicht Deutschland!

20.00h: Mist, habe vergessen, heute die Kuehe zu zaehlen (meine wichtigste Aufgabe!) Hoffentlich erfaehrt es der Chef nicht!

21.00h: Freue mich schon auf morgen!

…………………………………………….

Fotogallerie

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Einsam im Nebel zu wandern… Rode am fruehen Morgen

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Kuhkinder nennt man Rinder

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Glueckliches Schwein (16. 12. 2012)

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Armes Schwein (17. 12. 2012)

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Kuh + Heu + Arbeit + Arbeit + Arbeit = …

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= 7,5 Liter Milch!

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Milchannahmestelle eines Grossabnehmers (Preis: 0,80 – 1 Leu/Liter)

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Messbehaelter

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Skala des Messbehaelters

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Messbehaelter in Zisterne entleeren

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Milchaufschreibeliste: 17. 12. 2012: “Morgens 10L; Abends: 7L”

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Heimwaerts

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Morgen kommt wieder das ‘Milchauto’.

PS: Typisch uebrigens – und kein Zufall: die Bauern liefern die weisse Suppe zufuss, mit Handkarren oder Pferdewagen an, der Grossabnehmer holt die Ware mit der 100.000-Euro-Zisterne ab und die Inhaber und sonstigen Chefs von Kaufland, Billa und Carrefour fahren sicher auch nicht mit dem Fahrrad oder einem gebrauchten VW Polo zur Arbeit…

Posted by at 17/12/2012
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7 Responses to Teilzeitcowboy in Transylvanien (II). Erste voyeuristsche Eindruecke

  1. Erika Massjung says:

    Die Zeit ist stehengeblieben…Viehzucht und Landwirtschaft und die Milchaufschreibeliste !

    (Landwirtschaft… heutzutage eine Raritaet ! )

    Passend der Pferdewagen und der dicke tiefe Schnee in der Gemeinde.

    Bingo…wundervoll originell !

    Sommerliche Gruesse aus Dubai !

  2. Frieda says:

    schöne Bilder und witzig geschrieben!
    und: bei 1 Minute effektiver Arbeitszeit hast du ja genug Zeit für die Interviews :-p

  3. Reinhard says:

    Kuseng du machst es prima!!!! Grüße aus Fürth!

  4. Claudia says:

    Moment mal, wo ist jetzt die zweite Schweinehälfte ?

    Grüße aus Fürth !

  5. hans says:

    claudia, diese frage kann ich dir leider nicht beantworten. muesste vielleicht eine vermisstenazeige bei der polizei aufgeben

    gruss aus rode!
    🙂

  6. Claudia says:

    Frohe Weihnachten und guten Rutsch !!!

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