Teilweiser Einsturz des Kirchturms in Radeln – oder vom Ende einer siebenbürgisch-sächsischen Illusion

Am 14. Februar 2016, kurz vor 17 Uhr, stürzte in Radeln/Roades (Kreis Kronstadt) das Eck des evangelischen Kirchturms auf seiner ganzen Höhe bis zum Dach ein. Eine mehrere Meter breite, schätzungsweise 10-15m hohe Öffnung klafft jetzt auf und macht das teilweise lose Balkengerüst dahinter sichtbar. Auf diesem thronen einige Meter höher die tonnenschweren, jahrhundertealten Glocken, deren Gewicht die labile Statik des einsturzgefährdeten Turmes noch wackeliger machen. Sollte der Turm gänzlich kollabieren, könnten die Glocken ebenfalls Schaden nehmen.

In Radeln ist im ehemaligen Pfarrhaus seit cca. fünf Jahren die Tabaluga-/Peter-Maffay-Stiftung tätig, die sich um Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen kümmert. Bei ihrer Ankunft im abgelegenen, einst bildhübschen, damals aber arg mitgenommenen, stark verarmten Ort mit großer Roma-Bevölkerung fehlte es nicht an großzügigen, allzu großzügigen (oder auch unrealistischen) Versprechungen: Arbeitsplätze für Einheimische, Erhalt und Renovierung der Kirchenburg waren dabei zwei der wichtigsten und verlockendsten.

Die Zusage auf Erhalt der kirchlichen Bausubstanz soll mit auschlaggebend gewesen sein, daß der Kirchenbezirk Kronstadt und die Radelner Kirchengemeinde, wenn auch zögernd und teilweise widerstrebend, in den Verkauf des Pfarrhauses einwilligten – dieses nachdem die Tabaluga-Stiftung anfangs nur von Pacht/Anmietung gesprochen hatte. Die Einwilligung zum plötzlichen Verkauf des relativ gut erhaltenen Pfarrhauses samt der renovierten Scheune (später  unter dem Vorwand abgerissen, sie sei “baufällig” gewesen) gaben die Eigentümer nur, nachdem die Stiftung und der damalige  Bezirkskirchenkurator, Karl Hellwig mit dem völligen Rückzug der Maffay-Leute aus Radeln quasi gedroht hatten. Das Pfarrhaus wurde schließlich verkauft. Die Stiftung richtete sich ein – und ging im Ort umgehend auf Einkaufstour. Bisher soll sie über zehn Immobilien im Dorf erworben haben. Und diese ließ sie mit viel Geld und wenig Fachwissen und Sensibilität brachialsanieren, wie ausgewiesene Fachleute seit einigen Jahren bemängeln. Restauration gelungen, Denkmal tot, könnte man sagen, wenn man durch den Ort spaziert.

Den etwas bitteren Verlust ihres Pfarrhauses soll den cca. 40 Radelner evangelischen Sachsen ein Zusatzvertrag/Protokoll versüßt haben, in dem der neue Eigentümer sich zu konkreten Maßnahmen zur Bewahrung der Kirchenburg verpflichtete. Soweit so gut. Aus deutschen staatlichen Quellen kamen um 2011 48.000 Euro zur Dachsanierung des morschen Kirchturmes, über dessen baufälligen Zustand die Fachleute schon 2009 bescheid wußten, als Dresdener Studenten mit hochmoderner Elektronik und Software die Kirchenburg und den Turm vermaßen/kartierten.

Aus einem Zeitungsbericht vom 17. 11. 2011 geht hervor, daß die Dachsanierung Arch. Sebastian Szaktilla geleitet hatte; die Arbeiten führte seinen Angaben zufolge ein “erfahrener Zimmerbetrieb aus dem Szekler Land” aus. Das Kulturministerium erkannte die Dringlichkeit der Baumaßnahmen und bewilligte sie im Dringlichkeitsverfahren (”regim de urgenta”). Vorbildlich, könnte man sagen! Wenn nur nicht gut fünf Jahre danach ein Teil des Turmes in sich zusammengefallen wäre…

Hier tun sich nun Fragen über Fragen auf. Fragen, die nicht unbedingt der Autor dieser Zeilen erfunden hat, sondern die vorwiegend von Einheimischen und sonstigen ”Eingeweihten” stammen. Hier einige:
1. Welches ist der Vertragsinhalt jener Abmachung zwischen Tabaluga-Stiftung und den Verkäufern des Pfarrhauses? Das Bezirkskonsistorium Kronstadt soll sich geweigert haben, ein Exemplar der Kirchengemeinde Radeln auszuhändigen.
2. Welche Arbeiten wurden bei der Dachsanierung tatsächlich ausgeführt und (zu welchem  Preis) verrechnet?
3. Was wußten die Verantwortlichen zum Zeitpunkt der Dachsanierung über die scheinbar bereits schlechte Verfassung/Statik des Objektes?
4. Wurden Konsolidierungsarbeiten irgendwelcher Art am Turm ausgeführt bzw. verrechnet?
5. Stimmt es, daß auch zwei Tage nach dem Teileinsturz KEINE Vertreter des Bezirks- und/oder Landeskonsistoriums Radeln besucht haben? Welches ist der Grund dafür?
6. Per Telefon sollen die Herren Hellmann, Hellwig, Gunesch von der Bezirks- und Landeskirchenverwaltung am gestrigen 15. 02. ihr Kommen angekündigt, danach aber “aus Zeitmangel” wieder abgesagt haben. Welches sind jene anscheinend wichtigeren Tätigkeiten, die sie an der Fahrt nach Radlen hinderten?

Die drängendste aller Fragen aber bleibt im Moment: Was ist zu tun, um weitere Schäden am Bauwerk zu vermeiden bzw. diese möglichst zu begrenzen (Sicherung der Kirchenglocken und weiterer Gebäudeteile)? Was auf den ersten Blick vielleicht nicht auffällt: Der bedauerliche wenn auch lange zuvor “angekündigte” Einsturz hat eine nicht zu leugnende Symbolwirkung, wenn man bedenkt, wie die Kirchenburgen Meschendorf und Deutsch-Kreuz um 2011-12 mit viel Geld kaputt- bzw. kitschsaniert worden sind, wie das Pfarrhaus in Deutsch-Kreuz 2012 heimlich abgerissen und durch eine fragwürdige Luxus-Hazienda ersetzt wurde, wie EU-Fonds-Piraten aus dem Umfeld des Bodendorfer Bürgermeisters bei Deutschweißkirch um 2014-15 Luxusressorts in die Landschaft zu ‘klatschen’ versuchten.

Diese Dörfer gehören wie Radeln alle zur Gemeinde Bodendorf/Bunesti. Deutschweißkirch ist das Dorftourismus-Vorzeigeprojekt Siebenbürgens geworden. Die Restaurierungsprojekte und Investitionen in den Nachbardörfern sind jedoch zu  Karrikatur ausgeartet, die vor der Bauabnahme notdürftig zurechtgeschustert und retouchiert worden sind. Gemeinsam haben all diese Projekte wirtschaftlich potente, politisch vernetzte Business-Seilschaften und sonstige Prominenz als Motoren und “Treiber” – lauter (saxonische) VIP’s mit wenig bis gar keinem Gespür/Respekt für die lokalen Gegebenheiten (bauhistorischer oder sozialer Art).

Daß solche Personenkreise mit ihrem vielen Geld eher Schaden im fragilen Kulturlandschaftsbild hinterlassen werden, war vorauszusehen – und als die Schäden eintraten (Beispiel Deutsch-Kreuz) trotz lärmigem Propagandarummel (Haferlandwoche) nicht mehr zu übersehen. Zum erlauchten Kreis gescheiter(ter) siebenbürgischer Kulturgutretter dürfen wir spätestens seit dem 14. Februar 2016 leider auch die Tabaluga-Stiftung sowie Personen aus deren Dunstkreis in Rumänien zählen. Grund genug, in diesem Zusammenhang vom Ende einer weiteren Illusion zu sprechen. Denn Geld, Connections, Prominenz und Medienpräsenz bieten definitiv keine Garantie mehr für ein glaubwürdiges und erfolgreiches gemeinnütziges Engagement in der transilvanischen Provinz. Im Gegenteil: Es geht bei diesem “Rezept” schon seit längerem immer wieder was schief. Eigentlich geht es immer schiefer und schiefer – bis der Kirchturm schließlich umfällt…

Wie (unerwartet schädlich) sich die Tätigkeit der Tabaluga-Stiftung auf das fragile Sozialgefüge und den Dorffrieden in Radeln während der letzten paar Jahre ausgewirkt hat, steht wiederum auf einem anderen Blatt und verdient eine eigene, eingehende Darstellung. Auch da kracht es im Gebälk – und zwar kräftig. Da ist seit Jahren(!) die Rede vom gehässigen, teilweise nazimäßigen Auftreten des Geschäftsführers Michael Mort gegenüber den Roma, von quasi gekaperten, möglichrweise illegal gekauften gemeindeeigenen Immobilien, vom  Rausschmiß sozial schwacher Mieter im Winter, von abgesperrten Gehwegen, von Polizeischikanen gegenüber einzelnen Nachbarn auf ‘Zuruf’ des Tabaluga-Geschäftsführers, von der Verpachtung des Fußballplatzes an letzteren, von unbezahlter Arbeit oder Scheinanstellungen von Einheimischen bei Besuchen von Peter Maffay, von der mißbräuchlichen Aufnahme und Nutzung von Kinderfotos für Spendenkampagnen in Deutschland usw.
Einzelheiten dazu später.

16. 02. 2016
Hans Hedrich, NW

Weiter unten ein erstes Bild das Radelner Kirchturmes, aufgenommen am 16. 02. 2016 vom Autor. Der Besuch in Radeln fand zusammen mit und dank der Hilfe von Monica Popovici statt – unserer unermüdlichen Kämpferin für die Bewahrung und Fortführung des gemeinsamen siebenbürgischen Kulturerbes. Danke, Monica! Mach weiter so! 🙂

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Posted by at 16/02/2016
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One Response to Teilweiser Einsturz des Kirchturms in Radeln – oder vom Ende einer siebenbürgisch-sächsischen Illusion

  1. Anonymous says:

    Die Sache ist doch symptomatisch!

    Es ist doch bereits längst alles so faul, dass es nur durch abscheuliche Betonkorsette noch vor dem Kollaps zu bewahren ist. Real und symbolisch!

    Auch hier werden die armseligen Zigeunerbengeln in Radeln und sonst wo wieder nur missbraucht werden wie einst bei einem gewissen Dom Mintoff. Und nein, ich schreibe da nicht (nur, behaupte diese Version auch gar nicht) von geschlechtlichem Missbrauch, der ja nur eine der vielen Facetten von Missbrauch darstellt.

    Es steht zu wünschen, dass es rumänische Zigeuner einmal schaffen sich so halbwegs effizient zu organisieren um wenigstens solchem Missbrauch Riegeln vorzuschieben.

    Betrachte man doch einmal die Person eines Peter Alexander Makkays, wie er ursprüngli9ch genannt wurde. Mütterlicherseits ist dieser Herr wohl sächsischer Abstammung, aber er hat ja auch einen Vater … Dieser Vater sorgte u.a. dafür, dass Herr Peter Alexander Makkay in Kronstadt in einer Wohnung aufwuchs, in die sein Vater seine Familie einweisen ließ. Der „kleine Schönheitsfehler“: Diese Wohnung war zuvor Kronstädter Deutschen weggenommen worden …

    Solche Interessenskonstellationen finden sich im Dunstkreise alles „Restdeutschen Rumäniens“ permanent. Es hat den Anschein, dass inzwischen so gut wie alles von solchen Typen übernommen worden ist, die sich geschickt in „deutsche“ Führungspositionen gedrängt haben oder schlicht mit mehr oder weniger Nachdruck dorthin gehievt worden sein dürften.

    Oder wie war das doch mit eines Ovidiu (huch, das liest sich echt treudeutsch) Ganţens Vater? War der nicht Militärstaatsanwalt des Flickschusterregimes, also einer der damaligen Systembluthunde? Oder wie ist das denn mit dem Schwiegervater dieses famosen Herrn Iohannis? Der Beispiele gäbe es sicher noch unendlich viele!

    Ohne den Stall, aus dem Hauptakteure kommen, zu berücksichtigen wird man deren Denkweise und Einstellung nur schwer verstehen können.

    Ein Harr Peter Alexander Makkay hat sich noch zu keinen Zeiten als „Siebenbürgersachse“ deklariert, warum sollte er auch? Warum dann von ihm erwarten, dass er sich für popelige siebenbürgersächsische Kulturinteressen einen Haxen ausreißt? Sehr unrealistisch …

    Die Bürokraten der Biserica Evanghelica sind auch arg arme Würstchen. Alle türmten! Die Verbliebenen kamen sich arg blöd vor und es fehlte ihnen – und fehlte immer drückender – jegliches biologische Substrat im Lande. Die evangelische Kirche wird von Wirtschaftsevangelischen übernommen und ausgeschlachtet. Warum soll es denn auch mit der evangelischen Kirche in Rumänien anders laufen als mit allen anderen Organisationen dieses Landes?

    Dieses Phänomen war bereits vor Jahrzehnten wohl zu erkennen. Beim Versuch – damals zur Flickschusterzeit – das Grab eines Großvaters, der in der Stadt Pastor war, aufzufinden, kam seitens der evangelischen Kirchenkanzlei nicht nur keinerlei Unterstützung, nein, man ließ auch durchblicken, dass man für Spinnereien von Leuten von auswärts keine Zeit hätte, usw. Ein gütiger rumänischethnischer Friedhofswärter erbarmte sich dann und half real mit brauchbaren Informationen. Der gute Mann wollte dafür nicht einmal Bakschisch nehmen. Erst bei der damaligen „rumänischen Reserverwährung“ Kent wurde er halt schwach …

    Den hilfsunwilligen Kirchenmann sahen wir dann zufällig in einem für damalige Verhältnisse nur schwer ergatterbaren Aro durch die Straßen brausen …

    Nutzt halt alles nichts mehr. Selbst wenn ein rechtschaffener junger Sachs nach althergekommener Art eine sächsische Familie gründen möchte hätte er wohl kaum eine Chance dafür eine geeignete sächsische junge Frau zu finden, sehr wahrscheinlich erwartete ihn jedoch homerisches Gelächter träte er an eine junge halbwegs geeignete Sachsendame mit solch „unverschämtem“ Ansinnen heran …

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