Rocky! Interview über die sächsische Kultband (II.)
Interview mit Karl Gerhard Pitters
von Reinhard Homm (Fürth)
Redaktionelle Mitarbeit: Silke und Karline Folkendt
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Quelle: siebenbuerger.de
R.H.: Ok, dann warst du in der Band, dann ging es fleißig durch die Gemeinden, Dörfer und Städte in Siebenbürgen und Rumänien, auf Tanzveranstaltungen und Konzerte. Besondere Vorkommnisse gab es bestimmt, positive oder negative, an die du dich gerne erinnerst?
K.P.: Positiv… Also, es war so, dass die Jungs bei den Rangers alles liebe Jungs waren, aber es darf nicht unerwähnt bleiben, dass ich einen ganz, ganz speziellen Freund hatte, eigentlich mein bester Freund überhaupt, das war Erhard Hügel. Ich bin mit ihm aufgewachsen, und zwar wirklich von Kind auf, aus dem Sandkasten, und seit ich dann irgendwann auf die Musikschule gegangen bin, habe ich mich jedes Mal gefreut, wenn ich in den Ferien nach Hause kam. Ich habe ihn dann auch mit diesem… Virus, sag ich jetzt mal (lacht), angesteckt, mit diesem Musikvirus. Unsere gemeinsame Leidenschaft war eigentlich seit je her irgendwie die Musik. Ich spielte Gitarre seit ich zehn war und seine Eltern hatten ihm ein Akkordeon gekauft – worüber er aber nicht wirklich glücklich war, denn er wollte eigentlich auch eine Gitarre – also haben wir immer so einen Tauschhandel betrieben (lacht), er hat mir dann sein Akkordeon ausgeliehen, und ich habe quasi das auf der Musikschule Gelernte dann aufs Akkordeon übertragen. So habe ich rausgefunden, wie diese Bässe gespielt werden – ich meine, die rechte Hand war jetzt nicht wirklich schwer, da ich ja einigermaßen Klavier spielen konnte – und so habe ich natürlich ein paar Lieder gelernt.
Der Erhard hat sich dann das Gitarre spielen beigebracht, ich habe ihm ein paar Lieder gezeigt. Wir waren beide sehr ehrgeizig, und wir haben beide immer dem Rock gefrönt. Zu dem Zeitpunkt kam auch AC/DC auf, davon wurden wir sehr stark geprägt, wir wollten damals alles von denen nachspielen, nur war das leider Gottes unmöglich mit akustischen Gitarren. Dann hat mein Onkel mir einen Tonabnehmer auf meine Gitarre gebastelt, das hatten wir dann umfunktioniert und haben den ins Radio getan, da gab es ja diesen Eingang für den Plattenspieler, und das war dann unser erster Verstärker. Damit haben wir AC/DC rauf und runter gespielt, und aahh… das war Hammer. Als dann der Vater vom Erhard gesehen hat, mit welcher Leidenschaft sein Sohn da dabei ist, hat er ihm seine erste E-Gitarre gekauft, das war eine Reghin, die hat damals um die 1.200 Lei gekostet, wenn mich nicht alles täuscht. Mein Onkel hat mir dann seinen alten Doina-Verstärker, so ein 15-Watt-Teil, geschenkt, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stolz ich auf dieses Ding war! Man konnte es allerdings wirklich nur im Wohnzimmer gebrauchen (lacht), weil für was anderes hat es nicht wirklich getaugt.
Bei den „Rangers“, wo ich eigentlich aktiv war und auch meine ersten Bälle gespielt habe,da habe ich irgendwann meine Kollegen davon überzeugt, mich und den Erhard ein eineinhalbstündiges Rock-Programm machen zu lassen. Zu dem Zeitpunkt gab es ja noch keine Band, die wirklich probiert hat, auch mal rockige Klänge zu spielen. Ich denke, „Royal“ waren die Einzigen, die „Ma Baker“ von Boney M gespielt hatten und „Does your mother know“ von ABBA, das war‘s dann aber auch schon.
Jedenfalls, die Bälle, auf denen wir das gespielt haben waren ja immer von 8 bis um 12 Uhr Nachts, dann war eine Stunde Pause, und dann von um 1 bis 6 Uhr morgens. Und immer nach dieser Pause hatten wir unsere selbstgebastelten Lichter im sonst dunklen Saal angemacht, immer zum Ärger der älteren Leute, uns war das aber ziemlich wurscht, ja, und dann haben wir – also der Erhard, der Günther am Schlagzeug und ich – unsere einstudierten Nummern gespielt, „Black Sabath“, „Paranoid“ und, oh Gott, ich weiß noch nicht mal mehr alle Lieder. Aber die Jugend ist damals ausgeflippt, die waren überrascht, weil wir ja doch noch sehr jung waren und trotzdem gerockt haben wie die Wilden, und das hat dann eigentlich so eine große Auswirkung gehabt, dass uns plötzlich alle Dörfer haben wollten. Bei uns ging es richtig bergauf mit den Auftritten.
Aber den Traum, den der Erhard und ich eigentlich seit Ewigkeiten gehegt haben, nämlich gemeinsam in einer Band zu spielen, der wollte sich in keinster Weise irgendwie realisieren. Es ging nicht bei den Rangers, weil diese Band stand und keinen Bedarf für einen zweiten Gitarristen gesehen wurde, und nur wegen eineinhalb Stunden hat es sich nicht gelohnt. Was für mich eigentlich nicht sehr zufriedenstellend war.
Aber jetzt kommt Rocky wieder ins Spiel, weil durch diesen Erfolg, den wir da plötzlich hatten, waren die Jungs von der Rocky-Band, damals der Tatter Hans und Kramma, auf uns aufmerksam geworden, sie waren beeindruckt und haben mich gefragt, ob ich einsteigen möchte. Für mich war aber klar: „Wenn, dann nur mit Erhard“, und so sind wir dann beide eingestiegen.
Wie genau unsere Besetzung bei Rocky damals ausgesehen hat, weiß ich nicht mehr genau, wir hatten dann auf jeden Fall zwei Gitarristen. Von den Rangers ist auch der Manni Härtel mit übergewechselt.
Allerdings habe ich irgendwie immer irgendwo angeeckt. Ich wusste schon damals immer ziemlich genau, was ich wollte, ich glaube, ich war ein sehr schwieriger Mensch in der Zeit, sehr stur und dickschädlig. Hinzu kam, dass ich schon immer sowas wie ein Leitwolf sein wollte, und das resultierte dann in Meinungsverschiedenheiten mit dem Tatter Hans,der ja als Ältester und Gründer der Chef der Band war, unter anderem auch, weil der Erhard und ich eigentlich ganz genau wussten, was wir wollten, und es uns nicht wirklich interessiert hat, was der Mainstream zu dem Zeitpunkt war.
R.H.: Und ich schätze einmal die 5000 Lei Ablöse waren dann auch kein Thema mehr, oder?
K.P.: Nein, ich hatte ja mittlerweile Instrumente, die ich abbezahlt hatte. Wir haben dann ja ein paar Bälle gespielt, und von diesem Geld haben wir uns dann eine Vermonagekauft, für vielleicht 13.000 Lei.Der Erhard hatte auch einen Verstärker und eine Gitarre von seinem Vater bekommen, der dafür viele Schulden aufgenommen hatte,und somit waren wir eigentlich von den Instrumenten her viel besser ausgestattet.
Leider haben wir uns dann vom Tatter Hans getrennt. Ich glaube, das war damals nicht richtig, das war falsch, und ich habe ihn auch um Entschuldigung gebeten, allerdings erst später im Erwachsenenalter. Es lag einfach daran, dass wir es nicht geschafft haben, miteinander zu reden und uns zu einigen. Ich glaube, ich habe ihm auch nicht diesen musikalischen Respekt gezollt, der nötig gewesen wäre, weil er nicht das Können und Fachwissen hatte, wie ich es in der Schule gelernt hatte. Er hat sich sein Instrument selber beigebracht, und die Vorbereitung der Band war so, wie man das damals eben gemacht hat: man hat die Lieder auf Kassetten gehört, vor- und zurückgespult, Note für Note herausgehört, die Texte raus geschrieben… es gab ja keine fertigen Notentexte, und überhaupt nur Wenige, die auch dieses musikalische Wissen – im Sinne von Theorie und Notenlesen – wirklich beherrscht hätten. Es war eine traurige Geschichte für ihn als Gründungsmitglied, wenn man bedenkt, dass die Band eigentlich sein Baby war… Ich sage nach wie vor, es war falsch. Es war auch so, dass er sich keine Orgel leisten konnte, der Zeitgeist aber danach verlangte. So kam es dann, dass der Müller Hansi, der eine Orgel hatte und auch ein etwas zugänglicherer Typ war, sich bereit erklärte, mit uns zu spielen. Unser Schlagzeuger, der Kramma, hatte inzwischen seine Ausreisepapiere erhalten und so kam dann der Roth Hansi dazu, der damals bei „Royal”war, die sich aber aufgelöst haben.
R.H.: Also, Instrumente hattet ihr, die nötigen Auftritte hattet ihr. Wie seid ihr eigentlich hingekommen? Weil der logistische Aufwand war zu dem Zeitpunkt – kann ich mir vorstellen – doch ein bisschen anstrengend…
K.P.: Naja, gut, es gab in Mediasch doch ein paar Autobesitzer. Am praktischsten für den „Bandtransport“ waren hauptsächlich diese IMS oder ARO, diese Geländewagen… es waren irgendwie schnucklige Autos. Die meisten hatten noch so eine Plane hinten, oben wurden irgendwelche Packträger aufs Dach geschweißt/geschraubt, wo eben die Instrumente drauf gegurtet und festgezurrt wurden, auch mit Planen, und dann gab es auch welche mit Anhängern.
Es stimmt, es herrschte Benzinknappheit, aber wir wissen ja, dass, wenn irgendwo eine Knappheit herrscht, das auch automatisch einen Schwarzmarkt hervorruft. Man konnte Benzin beziehen, war halt etwas schwieriger und dementsprechend auch teurer. Transportmöglichkeiten gab es eigentlich genug, es war also nicht wirklich ein Problem für uns, zu unseren Auftritten zu kommen, zumal diese Leute ja auch alle bereit dazu waren, weil sie einfach sehr gut dabei verdient haben. Ich will das jetzt nicht für alle behaupten, aber viele haben bei so einer Fahrt mehr verdient als die Musikanten selber. Also die Möglichkeiten waren gegeben und man musste es eben zahlen, wie halt überall, aber es hat ohne größere Probleme funktioniert. Irgendwann kam dann auch diese Regelung auf, dass an einem Wochenende die geraden und am nächsten Wochenende die ungeraden Nummernschilder unterwegs sein durften, naja, dann hat man halt mit zwei zusammengearbeitet, nicht selten war es auch so, dass man sich dann halt zwei Dacias mit Packträgern organisiert hat… also es ging.
Sagen wir mal, der logistische Aufwand war jetzt nicht wirklich die größte Hürde, aber es stimmt schon, wenn da mal einer ausgefallen ist, aus welchem Grund auch immer, dann ist man schon ein bisschen rumgerannt, bis man wieder einen Ersatz gefunden hat. Ich weiß noch, wir sind einmal nach Durles(lacht), das war eine geile Sache, da hat es so geschneit, dass sich kein Auto mehr fahren getraut hat, und da sind wir tatsächlich mit einem Pferdewagen von Mediasch nach Durles. Der Typ hatte so eine Plattform auf dem Wagen, die eigentlich für Umzüge gedacht war, und zwei Lipizzaner Pferde. Es war überall Glatteis, das war echt Wahnsinn. Ich kann mich noch erinnern, wir haben dann unsere ganzen Instrumente auf diesem Karren irgendwie festgebunden und der ist dann mit dem Pferdewagen losgedonnert und wir haben uns hinten festgehalten… Also, es war eine sau coole Geschichte, echt. Aber Not macht erfinderisch und man improvisiert halt in so einer Situation. Es hat aber alles gut funktioniert.
R.H.: Und nicht jeder kommt mit einem Lipizzaner nach Durles!
K.P.: Das stimmt allerdings! (lacht)
R.H.: Wie lange ging das dann weiter, bis du zum Militärdienst gerufen wurdest?
K.P.: Das war ’84. Parallel zu unserer Band Rocky, mit der wir ja natürlich unsere Bälle und Hochzeiten spielten, aber unser Rocker-Herz eigentlich nicht wirklich befriedigt wurde, hatten der Erhard, der Roth Hansi und ich mit noch ein paar Kollegen und sehr guten Freunden, noch eine “Proton Jet”gegründet. Mit dabei waren noch der Marius Grigori am Bass, der Juki Tiberiuan derGitarre und der Vio Sundiac, ein sehr lieber Freund. Die “PROTON JET”gehörte zum Clubul Tineretului, und somit hatten wir quasi zwei Bands, mit der einen haben wir Geld verdient und mit der anderen haben wir eigentlich nur geprobt und kein Geld verdient, das war dann auf Kulturebene für Mediasch, da haben die anderen das Geld verdient. Wir konnten aber unserer Leidenschaft, dem Rock, frönen. Wir haben auch erste eigene Lieder geschrieben und das war für uns einfach… wow. Wir sind täglich in diesen Club und haben gerockt wie die Wilden, wir hatten eine sehr, sehr schöne Zeit, die etwa ein gutes Jahr lang angehalten hat. Dann wurden wir eingezogen, aber auch das hat einen Vorteil gehabt: auch die Musiker aus der rumänischen Musikszene sind jetzt mehr oder weniger auf uns aufmerksam geworden, denn in der sächsischen Szene hatten wir uns eigentlich schon ziemlich gut etabliert und einen Namen erspielt. Es gab wirklich diese zwei „Musikwelten“.
Mediasch hat eine sehr starke musikalische Ausprägung gehabt, es gab ziemlich viele Bands, nicht nur in Mediasch, sondern auch im Umkreis, fast jedes der Dörfer hatte eine eigene und auch gute Band gehabt. Zum Beispiel hatten die „Rangers“, Preteier hatten die „Royal“, Propsdorfhatten die… (überlegt) … Gott, wie hießen die… Die war auch so was von gut, da hat der Pisu mitgespielt… (überlegt) … ahh, ich hab jetzt grad ‘nen Lapsus, aber es war auch eine sau gute Band, die Musiker waren unwahrscheinlich gut.
R.H: In Elisabethstadt waren, glaub ich, die „Stern Sieben“?
K.P.: Die waren in Hetzeldorf, neben Elisabethstadt.
R.H.: Und die„Dynakord“, die kamen aus…?
K.P.: „Dynakord“, das war eine Abwandlung von „Ariston“ glaube ich.
R.H.: Aha. Und die „Ariston“?
K.P.: Die ist dann aufgegeben worden. Und dann wurde aus „Dynakord“ ja die „Dynasonic“… Es waren etliche Bands, ich hab jetzt nur ein paar genannt… es waren eigentlich lauter gute Bands. Die Rumänen hatten auch sehr guten Bands, die hauptsächlich in den Restaurants gespielt haben, da möchte ich gerne die „Acustic“ nennen und die „Dynamic“, also diese zwei Bands waren eigentlich mehr oder weniger die Stars. Das Programm in diesen Restaurants war ja eigentlich vom Staat vorgeschrieben, man spielte eine Stunde lang rumänische Volksmusik, danach zwei Stunden Kaffee Konzert, also dezent begleitende Hintergrundmusik, wobei das eine Musik war, die es in sich hatte und sehr komplex und schwierig war, weil es sehr stark am Jazz und an lateinamerikanischen Standards angelehnt war. Danach spielte man Lieder aus dem Pop-Bereich, und die Jungs der eben genannten Bands haben mitunter „Cool and the Gang“ gespielt, also lauter schwere Sachen. Die waren sau gut, und die Sachsen waren ja weit davon entfernt, in den Bereich überhaupt vorzudringen. Wir waren sehr deutsch geprägt, haben Schlager und Volksmusik gespielt, zum Beispiel aus dem Oberkrainer und Egerländer Repertoire, weil es ja auch das war, was unsere Leute hören wollten. Unseren Rock hätten wir nicht eine ganze Nacht lang spielen dürfen, auf keinen Fall, es war einfach nur eine zusätzliche Stimmung auf einem Ball, aber es war eigentlich auch das, was uns von den anderen Bands so ein bisschen abgegrenzt hat.
Jedenfalls, um auf deine Frage zurückzukommen: Mit meinem Einzug ins Militär, das war 1984 am 29. August, sind dann diese zwei Bands leider in die Brüche gegangen. Das hat zwar noch ein oder zwei Monate gedauert, aber dann hatte sich sowohl “Proton Jet”als auch Rocky aufgelöst, der Roth Hansi ist wieder zu „Royal“ gegangen, der Erhard, der wurde von der rumänischen Band „Paragraph“ abgeworben. Aber da der Erhard und ich ja diese enge Verbundenheit hatten, ist er nur unter der Bedingung beigetreten, dass ich nach meinem Wehrdienst, also nach eineinhalb Jahren, ebenfalls einsteigen kann. Und obwohl da nicht unbedingt Bedarf für mich war, haben die sich dann damit einverstanden erklärt.