Rocky! Aus dem Leben einer saechsischen Kultband (III.)
Interview mit Karl Gerhard Pitters über die sächsische Kultband; von Reinhard Homm, Fuerth
R.H.: Hattest du dir damals schon gewisse Ziele gesetzt? Wo wolltest du damals mit deinem Musikkönnen und mit deinen musikalischen Darbietungen ankommen?
K.P.: …Als junger Mensch, ich glaub auch als Kind, war mein ewiges Ziel eigentlich immer die Bühne, ein Star zu sein. Letztendlich hat man dann aber immer solche „Etappen-Ziele“, wenn man so will (lacht). Man sagt immer: „mein Ziel ist es, mal auf die Bühne zu kommen“, dann bist du auf die Bühne gekommen, und dann willst du auf eine andere Bühne, also ich denke, das ist sehr schwierig zu beantworten. Ich glaube, in Rumänien große Ziele zu fassen war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, weil das Gefüge im Land und die politische Konstellation nicht wirklich viel an Zielen zugelassen hat. Also, man war da sehr bedacht, nicht aus der Reihe zu tanzen, indem man in irgendeiner Form unangenehm auffällt oder was auch immer, und ich glaube sowieso, dass in unserer Generation der Gedanke, nach Deutschland auszuwandern, sehr stark in den Köpfen verankert war. Ich denke unser aller Ziel war, irgendwie nach Deutschland zu kommen, aber seien wir mal ganz ehrlich – keiner von uns hat so genau gewusst, was Deutschland eigentlich bedeutet oder was in Deutschland auf uns warten würde.
Mein Ziel war jedenfalls unbewusst schon immer, ein Star zu sein. Und bis zu einem gewissen Grad ist das auch gelungen – oder sagen wir lieber, ich bin zufrieden mit meinem bisherigen Lebensweg, auch musikalisch. Im Verlauf der Zeit verändert sich ja auch sehr viel, dein Leben, du selbst, deine Umgebung, und eben auch deine Ziele, aber ich kann schon sagen, dass ich die Ziele, die ich mir als junger Mensch gesetzt habe, verwirklichen konnte, ja.
R.H.: Als musikalische Vorbilder zu der Zeit hast du eben AC/DC genannt, Phoenix… gab es auch noch andere?
K.P.: (überlegt)… Ja. Ja, definitiv. Ich habe sehr viele Vorbilder in meinem engen Umfeld gehabt und wollte eigentlich immer das können, was andere bereits konnten und womit sie erfolgreich waren. Das war eigentlich auch immer Erhards und meine Hauptmotivation: genauso gut sein wie die Leute in unserem Umfeld, und noch einen draufsetzten und besser werden. Man muss ja auch bedenken, es gab in den 60er und 70er Jahren sehr viele musikalische Bewegungen, auch in den 80ern, und neben dem Rock hat mich dann auch der Folk-Bereich immer angemacht, oder die Musik von „Simon and Garfunkel“. Ich wollte mich damals – und auch heute – auch nicht auf einen bestimmten Stil festlegen, weil es in sämtlichen Bereichen so was von tollen Liedern gibt. Maffay kam damals auf… Ich weiß noch, der Erhard und ich probten damals wie blöd – ich weiß nicht einmal mehr, ob wir zu dem Zeitpunkt in einer Band waren – und ein Nachbar, der Weiß Otto, hat wohl mitbekommen, dass wir da mit unseren Klampfen rumgeprobt haben und dann hat er gesagt: „Hey, ich hab eine Kassette, die müsst ihr euch unbedingt anhören! Das ist einer, der kommt auch aus Rumänien und der ist in Deutschland und der ist ein Star und… Peter Maffay!“ Und dann hat er uns diese Kassette vorgespielt und… geile Nummern, einfach nur geile Nummern waren da drauf, „Steppenwolf“ zum Beispiel, und natürlich haben wir uns gleich dahinter gesetzt, die Kassette aufgenommen… und haben die dann quasi kaputt gehört. Also, das war der Hammer und ich hatte… ja, ich hatte viele Vorbilder.
R.H.: Hast du das dem Peter, jetzt neulich auf Mallorca, mal erzählt?
K.P.: Nein, es kam nicht dazu und ich denke auch, dass dieser gute Mann nicht mit sowas belästigt werden will, es waren ja auch wirklich viele Leute da, und wir wollten nicht seine Geduld übermäßig mit Belanglosigkeiten strapazieren. Sollte sich aber irgendwann einmal die Möglichkeit ergeben, dass wir irgendwo unbekümmert bei einem Glas Wein sitzen, kann schon sein, dass ich ihm das mal erzähle. Der Erhard hatte ja das Glück, sich mit ihm zu unterhalten, er hat ihn getroffen als wir in Pollenca (Mallorca) waren, am Tag nach unserem Auftritt. Sie haben gemeinsam einen Kaffee getrunken, Maffay hat sehr viel von seiner musikalischen Geschichte erzählt und der Erhard hat gesagt, er habe sehr, sehr interessiert zugehört. Also, ich muss sagen, dieser Mensch hat ein unwahrscheinlich bewegtes Leben gehabt, deswegen Respekt, Respekt, für all das, was er immer noch tut, und vor allem dafür, dass er sich auch stark macht für andere, was eine sehr tolle Eigenschaft seinerseits ist, wie ich finde. Und auch wenn wir nur mit dem Wenigen, was uns zur Verfügung steht, unterstützen können, ist die Hauptsache, dass man dabei ist und etwas tut. Insofern ist er mir immer noch ein sehr großes Vorbild, das muss ich immer noch sagen. Nicht nur musikalisch, sondern auch auf menschlicher Ebene, da kann man wirklich noch viel von ihm lernen.
LINK: http://www.youtube.com/watch?v=G-oe73I73c8
R.H.: Wurde von den damals zuständigen Behörden Druck ausgeübt? Oder durftet ihr problemlos musizieren, ohne Kompromisse eingehen zu müssen? So etwas wie GEMA und Finanzamt gab es damals in Rumänien bestimmt auch.
K.P.: (überlegt) … also ich würde jetzt eher… jein sagen, sagen wir mal so: das damalige rumänische System hat uns eigentlich weitestgehend schon frei walten lassen. GEMA gab es wohl mit Sicherheit, aber die waren nicht so aktiv wie die hiesige GEMA es ist. Ich schätze, die haben sich dann wahrscheinlich eher so um kompositorische Rechte stark gemacht, aber ich glaube, das war mehr im Bereich der mechanischen Vervielfältigung. Also mir zumindest ist nicht bekannt, dass eine Eintragung in irgendeiner Form möglich gewesen wäre, so wie wir es jetzt handhaben, unsere eigene Musik haben wir nicht irgendwo angemeldet, um irgendwelche Rechte zu festigen. Und Finanzamt, ja, gab es auch, allerdings wurde das pauschal belastet. Die sind dann von irgendeinem Einkommen ausgegangen, und auf dieses Einkommen musstest du dann irgendeinen Steuersatz zahlen…
Frag mich aber nicht, was es war, es war nicht so ausgeprägt wie hier in Deutschland, ich könnte jetzt auch schwer einen Vergleich ziehen. Ich weiß nur, dass, wenn man in Restaurants gespielt hat, man sich einer Prüfung unterziehen musste, alle vier Jahre wurde die abgehalten, das nannte sich „Atestat“, und je nachdem, wie du abgeschnitten hast, hast du eine musikalische Einstufung bekommen, aufgrund derer du vom rumänischen Staat bezahlt wurdest, wenn du in einem Restaurant deinen Auftritt hattest. Das war aber auch das Einzige. Ich habe da nie teilgenommen, aber ich habe sehr wohl auch in Restaurants gespielt. Ich war da zwar nie angestellt, aber ich habe bei anderen Bands ausgeholfen oder war Gastmusiker. Am Schwarzen Meer hab ich mal zwei Monate gespielt, bei „Dynamik“, da bin ich für den Schuster Heini eingesprungen, der krankheitsbedingt ausgefallen ist. Dass ich gefragt wurde, lag einfach daran, dass wir ja deutschsprachig waren und in einem Hotel gespielt haben, wo hauptsächlich Gäste aus Deutschland und Österreich wohnten, und somit haben sie auch unbedingt diesen deutschsprachigen Teil in ihrem Repertoire gebraucht. Ich bin dann gependelt, weil ich ja am Wochenende meine Hochzeiten mit „Paragraph“ zu spielen hatte. Unter der Woche war ich dann im Hotel „Dorna“ mit der „Dynamik“ unterwegs.
R.H.: Wie hast du das Ende deiner Musikerzeit in Siebenbürgen erlebt? Das Ende der 80er, mit der anschließenden Massenauswanderung nach 1990?
K.P.: Nun, das hab ich jetzt eigentlich in dem Sinne nicht erlebt, weil ich ja ’87 aus Rumänien geflüchtet bin. Eigentlich waren wir mit „Rocky“ sehr erfolgreich, sogar auf einem unserer Höhepunkte, allerdings haben wir zu dem Zeitpunkt keine Bälle mehr gespielt, da nur Konzerte noch die Säle gefüllt haben. Das war so ein aktueller Hype, denke ich.
Im September ’87 ist der Erhard ausgewandert, im Dezember bin ich dann selber geflüchtet, wir waren also vier Monate auseinander. Und zu dem Zeitpunkt hat sich eigentlich noch kein Ende angebahnt, im Gegenteil, da war musikalisch gesehen eine sehr rege Aktivität in Mediasch und Umgebung, eigentlich in dem ganzen Raum, wo wir uns damals aufgehalten haben, sowohl auf rumänischer als auch auf sächsischer Ebene. Deswegen habe ich das in dem Sinne nicht wirklich erlebt – ich meine, seitdem ich begonnen habe, Musik zu machen, gab es in allen Bands irgendein Mitglied, das ausgewandert ist, und dann wurde dieses Mitglied eben durch ein anderes ersetzt, also, es war nicht das große „Bandsterben“, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, wo ich noch in Rumänien war.
LINK: http://www.youtube.com/watch?v=lWhCdxgBdCc
R.H.: Nach ’87 fing es dann an. Ich kann mich noch erinnern, dass eine Mitschülerin auf dem Joseph-Haltrich Lyzeum, aus Elisabethstadt, mich gebeten hatte, von heute auf morgen bei den „Rangers“ mitzumachen, oder zumindest auszuhelfen, und ich war auch nicht der Beste zu dem Zeitpunkt… Wie habt ihr euch hier in Deutschland dann wiedergefunden?
K.P.: Ich hatte eigentlich nie mit einer Flucht geliebäugelt, erst als der Erhard seine Ausreisebewilligung bekommen hatte, fing es auch bei mir an. Das waren dann diese großen ominösen Formulare, wenn man die einmal bekam hat man gewusst, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, da hat es meistens nur noch drei Monate gedauert, bis man dann tatsächlich den Pass erhalten hat. Als er mir dann gesagt hat, dass er die Formulare bekommen hat, da ist für mich eine Welt zusammengebrochen, weil ich konnte mir nicht wirklich ein Leben vorstellen, weder musikalisch noch persönlich, ohne meinen lieben Freund, den Erhard. Und da habe ich das erste Mal mit dem Gedanken gespielt zu flüchten und habe angefangen in die Richtung zu recherchieren, Leute anzusprechen, denen das schon gelungen ist oder die in einer Beziehung zu jemanden standen, dem die Flucht gelungen ist, und solche, die es probiert haben und gefangen wurden…
Wir waren damals sehr erfolgreich mit Rocky, wir sind sozusagen auf einer Erfolgswelle geschwommen und haben eine unwahrscheinlich schöne und intensive Zeit erlebt. Aber das Ende dieser Zeit zeichnete sich bereits ab und… also, sowas kann man eigentlich nur schwer in Worte fassen… Naja, dann hat es ja, Gott sei Dank, mit meiner Flucht geklappt, sie hatte natürlich auch ihre negativen Seiten, das würde jetzt aber den Rahmen sprengen.
Jedenfalls bin ich dann nach Deutschland gekommen und eigentlich gleich nach Nürnberg gegangen, wo Erhard und ich sofort unsere musikalische Aktivität wieder aufgenommen haben. Und dann… (überlegt) …haben wir eigentlich wieder die Rocky gegründet, mit dem Zackel Hans-Walter, dem Schuster Harald und dem Donat Martin, den hatten wir als Schlagzeuger irgendwie gefunden, indem wir einfach rumtelefoniert und Musiker gesucht haben. Wir haben auch einen Übungsraum gefunden, und die Lebensgefährtin von dem Zackel Hans-Walter, die Elli, die war auch sehr aktiv und hat uns unterstützt. Sie hat sich ausgekannt und Räume gesucht, und es war auch sie, die mich aus Jugoslawien ausgelöst hat, weil ich ja keine Akten und Papiere hatte. Sie ist zum deutschen Botschafter in Jugoslawien gefahren und hat quasi für mich gebürgt, damit mir erlaubt wurde, nach Deutschland zu kommen.
Ja, so ging es dann eigentlich los. Wir haben geübt und die Rocky mehr oder weniger wieder aufleben lassen. Wir hatten dann auch 1988 unseren ersten Auftritt, bei der Hochzeit meiner Cousine Renate, und dann hatten wir auch einen Ball gespielt und einen anderen hatten wir dann auch selber in Großweißmannsdorf organisiert, wo ja auch unser Probenraum war. Ende ‘88, Anfang ’89 kam der Schuster Daniel als Schlagzeuger zu uns, und dann 1990 mit der großen Ausreisewelle auch der Roth Hansi und der Müller Hansi, die in der Zeit für ein paar Monate bei mir in Nürnberg gewohnt hatten, und da standen wir uns sehr nahe. Der Micky ist dann auch gekommen und wir haben gesagt: „Ok, wir müssen die Rocky wieder gründen“.
Wir haben aber eigentlich nur eine sehr kurze Zeit so gespielt, bis ’91. Der Erhard zum Beispiel wollte mehr vom musikalischen Leben haben, und da diese sächsische Szene sehr stark von Schlagern geprägt war, hat das ihn musikalisch nicht sehr befriedigt bzw. sein Können an der Gitarre nicht genügend gefordert, und somit ist er dann in die Country Szene gewechselt, die damals dank der Amis, die noch hier waren, eine ziemlich starke Prägung hatte. Und Rocky wurde dann eigentlich ‘91 , nach dem Osterball, wieder eingestampft.
LINK: http://www.youtube.com/watch?v=IHAhGmQqUXE
R.H.: Und dann hattest du das Projekt „Rocky Duo“.
K.P.: Richtig… „Rocky Duo“ war eigentlich ein Zufallsprodukt. Damals wollte ich eigentlich auch etwas verändern in meinem Leben und bin auf die Tontechniker Schule in München gegangen. Der Beruf des Tontechnikers ist zwar kein sicherer Beruf, sondern eher ein freier, aber mich hat dieser technische Part eigentlich schon immer gereizt und ich wollte quasi über diese Schule auch in das Musikerprofi-Dasein rein finden.
Jedenfalls hat mich zu dem Zeitpunkt ein Arbeitskollege gefragt, ob ich da nicht jemanden wüsste, ein Duo oder so, das an seiner Hochzeit spielen würde. Ich hab ihm dann gesagt, dass wir gerade auseinander gegangen sind, aber der Zufall wollte es, dass beim Schuster Harald auch so eine ähnliche Anfrage einging. Und wir haben dann überlegt, dass wir das eigentlich machen könnten, weil es dann ja auch die ersten Begleitautomaten gab, zum Beispiel das „Roland Pro E“, das war so ein 3-Oktaven-Keyboard, und ich hatte ja durch meine Tontechniker-Schule das nötige Wissen. Außerdem hatte ich noch meine ganzen Keyboards, die ich mir im Laufe der Zeit aus technischem Interesse angeschafft hatte, und dann hab ich mir gedacht, ja, warum nicht, probieren wir es halt einmal und schauen wir, was rauskommt.
R.H.: Nur darf man nicht vergessen, in der Zeit ein Midi Fileherzustellen hat enorm viel Zeit gekostet, und dann ein Programm für einen ganzen Abend…
K.P.: Ja, das ist richtig…
R.H.: Ich schätze mal, das dauerte mehrere Monate?
K.P.: Einen ganzen Sommer.
R.H.: Einen ganzen Sommer… (lacht)
K.P.: Letztendlich war es ursprünglich nicht als etwas Dauerhaftes geplant… es waren zwei Jobs, die definiert waren, und es war nicht unbedingt die Motivation da, dass wir da jetzt ein festes Duo draus machen. Die Midi Fileshatte ich alle selber erstellt, eingespielt und einprogrammiert, das war eine Mordsarbeit, aber für mich auch sehr, sehr lehrreich. Leider war ich zu dumm, daraus einen Geschäftszweig zu entwickeln, denn es gab ja kaum fertige Midi Files, ich war sozusagen ein Pionier in dem Bereich, und das nicht weiterzuverfolgen war, jetzt im Nachhinein betrachtet, dumm von mir (lacht). Mein Geschäftssinn war nie sehr ausgeprägt, ich bin eher so der Künstler. Künstler und Geschäft ist immer so eine Geschichte… Naja, was soll’s, man kann nicht alles haben.
Diese beiden Auftritte, die wir hatten, sind dann jedenfalls so gut gelaufen, dass der Harald und ich uns überlegt haben, das Duo bestehen zu lassen, es könnte doch ein ganz lukratives Geschäft sein. Ich war sowieso sehr frustriert, dass das mit Rocky nicht geklappt hat, weil ich es mir wirklich gewünscht hatte, den Erfolg, den wir in Rumänien hatten, hier in Deutschland fortzusetzen und zu vergrößern. Ist im Nachhinein betrachtet aber auch nicht weiter schlimm, wir mussten ja auch erst in dieses neue System rein finden, das ja so anders ist als das rumänische… Und wir hatten uns mit „Rocky Duo“ eben jene nötige Basis geschaffen, es lief dann sogar richtig gut, der Name „Rocky“ war wieder in aller Munde. Ich muss sagen, es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte, nicht nur, weil der Schuster Harald und ich so viel Spaß zusammen hatten, es war auch eine sehr lehrreiche Zeit, denn wenn du zwei Jahre lang mit einer Maschine auf der Bühne im Halbplayback spielst, dann schult das auf alle Fälle dein Rhythmusgefühl. Ich habe mich damals auch das erste Mal so richtig mit Dingen wie Songaufbau und Satztechnik auseinandergesetzt, weshalb ich auch in musikalischer Hinsicht von dieser Zeit profitiert habe.
Das einzige, was mich als überzeugten Live-Musiker immer ein bisschen gestört hat, war, dass wir immer im Halbplayback gespielt haben. Also, es war nicht wie heute, wo man komplette Liedbegleitungen bekommt und nur dazu singt, die von mir erstellten Midi Files enthielten damals viele Stellen, die wir selber spielen mussten. Ich denke, wir haben das eigentlich sehr gut gemeistert, wir waren im Prinzip konkurrenzlos in der Zeit, es gab eigentlich niemanden, der da hätte mithalten können… Und ich glaube, dass wir es auch vom Niveau her locker mit einer ganzen Band hätten aufnehmen können, auch dank der Schule, die ich damals gerade machte, das Wissen ist mir mit Sicherheit sehr von Nutzen gewesen.
Aber trotzdem hatte ich den Traum der Live-Band noch nicht aufgegeben, ich hatte ja mit dem Harald die Vereinbarung getroffen, dass wir unser Duo mit der Zeit zu einer richtigen Band ausbauen.
Leider hatte der Harald aber im Laufe der Zeit Gefallen an dieser Duo-Geschichte gefunden, und als ich dann die „nächste“ Band, die „Rocky 4“, ins Leben gerufen habe, wollte er diesen Weg nicht mehr weiter mit mir beschreiten, was ich unglaublich schade und traurig finde. Er war mir eben ein sehr enger Freund geworden, nicht nur auf musikalischer Ebene.
In der Zeit bin ich dann auch mit meiner Frau zusammengekommen, da hat sich dann wieder viel verändert, weil ich vor der Frage stand, okay, Freund, was willst du? Familie ist mir immer sehr wichtig gewesen, ich konnte mir ein Leben ohne Familie nicht vorstellen, aber das Musikerleben war mir genauso wichtig. Ich war sozusagen in einem gewissen Dilemma, weil ein Profimusikerdasein eben viel Reisebereitschaft und Unterwegssein mit sich bringt, der Familienwunsch sich dem aber ein bisschen entgegenstellt. Aber beides zugleich habe ich nicht wirklich gewollt, wie sollte das auch gehen? Ich habe dann eine Frau und hoffentlich auch Kinder daheim, bin selber aber eigentlich nur auf irgendwelchen Touren und unterwegs… Somit bin ich dann wieder diesen Schritt zurückgegangen und habe den Traum vom „Profimusikerleben“ eigentlich endgültig begraben.
http://www.youtube.com/watch?v=mq4LJHRMig8
R.H.:Jedenfalls kam es zur Neubesetzung mit Nick Krakowski, George Ciolacu, Roland Depner, Tavi Weber. Warum ist diese „Rocky 4“ auseinandergegangen?
K.P.: Leider hat es mit dem George Ciolacuals Bandmitglied nicht richtig funktioniert, was jetzt nicht heißen soll, dass er ein schlechter Musiker ist oder dass wir privat nicht miteinander auskommen, aber als Bandkollegen waren wir einfach nicht wirklich kompatibel.
Jedenfalls hat das dann dazu geführt, dass wir uns vom George getrennt haben, einziges Problem: er hatte den Übungsraum.
R.H.: War das der Übungsraum, wo der Billardtisch drin war?
K.P.: Ja, richtig. Wir waren unten im Keller und oben stand der Tisch. Und dann kam auch der Florin Balanins Spiel, auch einer meiner besten Freunde, der spielte damals allerdings bei „Broadway“ und hat bei uns nur ausgeholfen. Nachdem wir uns dann ’97 vom George getrennt hatten, sind wir in die „Rockfabrik“ gezogen. Das war früher mal eine Tiefgarage, die aufgegeben wurde und wo Trennwände eingebaut und somit Übungsräume gebaut und vermietet wurden. Dort haben auch irgendwann „Cripple Creek“ und „Silverwood“ mal einen Übungsraum bezogen, und da bei Letzteren auch zwei Musiker aus Temeschburg dabei waren, kannten sie den Nick Krakowski noch aus ihrer Jugendzeit sehr gut, da er auch von dort kam. Und letztendlich haben sie ihn dann auch abgeworben, auch weil bei uns – bedingt durch unser Repertoire – nicht wirklich auf seine Kosten gekommen ist, was sein Können auf der Gitarre betrifft, und sozusagen ein bisschen frustriert war. Ich selber war dann natürlich auch frustriert, als ich meinen Rocky-Traum wieder aufgeben musste.
Jedenfalls habe ich mich dann notgedrungen damit abgefunden, aber wir hatten beschlossen, noch einen Abschiedsball zu veranstalten, das war Weihnachten ’97, und zwar in Großweißmannsdorf, wo wir auch unseren ersten Ball gespielt hatten. Ich hatte dann sämtliche Komparsen zu dieser „Rocky-Abschiedsfeier“ eingeladen, die irgendwann einmal bei Rocky gespielt hatten und die ich irgendwie erreicht habe. Später, auf dem Ball, durfte dann jeder, der Bock und Laune hatte, auf die Bühne… also, das war dann eigentlich mehr so ein „Jam-Session“-Ball, würde ich sagen. Jedem, der nicht dabei war, ist wirklich etwas entgangen, es war eins der Highlights überhaupt, die die deutsch-sächsische Musikerszene überhaupt jemals gehabt hat, also so viele hochkarätige Musiker waren damals da und… also, puha. War richtig… war geil.
R.H.: Neue Band, neue Musiker – „Broadway“. Wolltest du einfach mal was anderes machen? Außer den üblichen Bällen, Hochzeiten…
K.P.: Seit ich mich erinnern kann, ist mein Traum eigentlich immer gewesen, mit guten Musikern auf einer Bühne zu stehen, die vielleicht sogar besser sind als du selbst. Da kannst du nur selber wachsen, weil du jemanden hast, an dem du dich messen kannst und wo du nachziehen musst, denn wenn nichts da ist, was dich in irgendeiner Form motiviert, dann wirst du träge und übst halt nicht mehr so viel – oder zumindest ist das bei mir so.
Zu „Broadway“ bin ich über Florin gekommen, der ja zeitweise bei uns ausgeholfen hat. Bei denen brodelte es wohl auch auf menschlicher Ebene, und sie wollten sich von ihren Gitarristen trennen. Der Zeitpunkt war für mich nicht schlecht, da ich ja den Rocky-Traum nicht weiter verfolgen wollte, also wollte ich es einfach mal probieren und bin eingestiegen. Sie hatten einen neuen Gitarristen gesucht, und ich spielte ja auch Gitarre, allerdings fühle ich mich auf dem Bass einfach wohler, und ich habe auch nicht das Niveau eines Top-Gitarristen, der eigentlich, nach meinem Verständnis, neben einen so genialen Keyboarder wie den Flo gehört hätte. Mit dem Bass komme ich eher an dieses Niveau heran, aber das war auch das einzige Unwohlsein, das ich bei dem ganzen Gedanken hatte. „Broadway“ bestand eigentlich nur aus sehr guten Musikern, bis auf den Schlagzeuger allerdings, der zwar sehr gut singen konnte, aber trotzdem nicht an das Niveau der restlichen Musiker rankam. Ich machte dann den Vorschlag, diese Position anders zu besetzen, denn dann wäre man überall sehr gut bedient, gesanglich hätte man zusätzlich zum Jimmy– der war halb Afroamerikaner und halb deutsch, mit einer genialen Stimme – ja noch den Schlagzeuger, der DinoVelascohat den Funk- und Disco-Bereich sehr gut abdecken können, ebenfalls eine sehr tolle Stimme, und ich war dann eher für den Rock-Bereich zuständig.
Jedenfalls hatten wir ein Casting gemacht und einen genialen Schlagzeuger ins Team geholt, einen Franzosen, den Sebastien Engrand. Er war damals gerade auf dem Sprung nach Deutschland umzusiedeln, er hatte sich nämlich in eine Deutsche aus Forchheim verliebt, und er lebt heute immer noch hier. Ich meine, mit dem Roland habe ich auch zusammen gespielt, auch ein unwahrscheinlich toller Mensch und Schlagzeuger, dieser Sebastien aber hatte etwas Besonderes, er hatte wesentlich mehr… Erfahrung. Ich kann es nicht – ich habe oft immer versucht, einen Vergleich zwischen Sebastien und Roland zu ziehen, weil von der Technik her waren die beiden auf Augenhöhe, definitiv. Ich glaube, der Roland hat einfach sehr jung angefangen, und als er bei Rocky eingestiegen ist, hatte er eigentlich nur Jugendband-Erfahrungen und die wiederum nur aus dem Rockbereich, und da war der Sebastien, glaube ich, einfach schon routinierter. Ich glaube, das war auch der einzige Unterschied.
Ich habe jedenfalls sehr viel von ihm und seiner Lebenserfahrung gelernt, er hatte ja auch musikalisch ganz andere Perspektiven mitgebracht. Er hatte wie ich eine musikalische Ausbildung genossen, konnte Klavier spielen, er hat Musik eigentlich ganz anders definiert als ich bis zu dem Zeitpunkt, und er hat meinen musikalischen Horizont doch sehr stark erweitert und bereichert. Ich bin sehr dankbar, mit diesem Menschen zusammen gespielt zu haben, obwohl es leider nicht allzu lange angedauert hat, denn es ist, wie so oft, letztendlich am Menschlichen gescheitert – beziehungsweise an den unterschiedlichen Ambitionen, die man innerhalb der Band verfolgt hatte.
Bei mir war es so, dass ich mich für das Familienleben entschieden habe und einem geregelten Arbeitsverhältnis nachgegangen bin, ich war mittlerweile auch junger Vater, der Crispin war auf die Welt gekommen, und da war ich eigentlich an dieses Geregelte gebunden. Ein Großteil meiner Kollegen hätte eigentlich den Wunsch gehabt, dass wir durch ganz Europa touren, dass wir so richtig groß rauskommen, aber bei mir hat eben diese Situation dagegen gesprochen, und beim Flo war es auch nicht anders, er hat ja selber eine Musikschule in Fürth betrieben, und das hat ihm auch nicht wirklich erlaubt, sich für mehrere Wochen einfach zu entfernen und irgendeine Tour zu machen. Und dann ist leider diese „Broadway“-Geschichte mehr oder weniger daran gescheitert.
http://www.youtube.com/watch?v=Hn0GA8WZ-oQ
(Fortsetzung folgt)