Restitutio ad absurdum. Über Enteignung im Rumänien des XXI. Jhs.
Am 17. und 18. Oktober 2012 (heute in 1 Woche) findet in Bukarest der Kongress der europäischen Volkspartei (EVP) statt, zu dem Staatspräsident Traian Basescu einlädt. Unter den Gästen wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sein.
Aus diesem Anlass veröffentlichen wir ab heute eine Artikelserie über den mangelnden politischen Willen in Rumänien, im Sozialismus enteignetes Immobilienvermögen auch nach über 20 Jahren zurückzuerstatten – trotz gegenteiliger Versprechen rumänischer Politiker in wohlfeilen Sonntagsreden auf dem schon traditionellen Sachsentreffen in Dinkelsbuehl/Franken (siehe VIDEO).
Die “Wettsumme” dieser Angelegenheit: geschätzte 20 Milliarden Euro und die mögliche Rueckkehr zahlreicher Auswanderer nach Rumänien. (Erklärt das möglicherweise die Angst vor der Restitution?)
Zum Auftakt ein Offener Brief der Vorsitzenden des organisatorisch (absichtlich?) gelähmten Restitutionsvereins ResRo e.V., Karin Decker-Tath, an Präsident Basescu und Kanzlerin Merkel, der auf die gebrochenen Versprechen auf Restitution in Rumänien aufmerksam macht.
Vieles deutet darauf hin, dass die Restitutionsverweigerung in Bälde zu einem der grössten “Erfolge” antidemokratischer, europafeindlicher Lobbyaktivitäten rumänischer staatlicher Stellen erklärt werden können. Infolgedessen werden in Zukunft in Mittel- und Osteuropa (vornehmlich in Rumänien und den Nachfolgestaaten der UdSSR) Millionen Bürger eines grundlegenden Menschenrechts (Recht auf Eigentum) beraubt werden – und Europas Werte ein gutes Stück weit ausgehöhlt von einem unentschlossenen, schwankenden Nachzügler im Club der Demokratien des Alten Kontinents.
Quellen und sonstige Infos vom EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) hier:
1. umstrittenes Piloturteil;
2. Podcast Atanasiu vs. Romania;
3. Fallstudie Atanasiu vs. Romania;
4. Podcast Farcas vs. Romania;
Hans Hedrich
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ResRo Interessenvertretung
RESTITUTION in Rumänien e.V.
Karin Decker-That, Vorsitzende
resro.eu
Asociația pentru restituirea proprietăților în România
Boschstr. 12 a, D-86343 Königsbrunn
Telefon: 08231-958709
Fax: 08231-9780148
E-Mail: ResRoVerein@gmail.com
Frau Bundeskanzlerin
Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
Augsburg, 8. Oktober 2012
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
am 12.12.2008 fand in Bukarest die Veranstaltung: „International Property Day“ statt, zu der auch die Deutsche Botschaft in Bukarest einen Redebeitrag brachte. Ich zitiere daraus: „Ohne ein von staatlichen Eingriffen geschütztes und gerichtlich durchsetzbares Eigentumsrecht ist eine freiheitliche Gesellschaft nur schwierig vorstellbar. Der Schutz des Eigentums und somit auch die Restitution und Entschädigung für enteignete Immobilien ist ein wichtiges Thema für die Bundesrepublik Deutschland. Ihre Organisationen geben den privaten Grundstückeigentümern eine Stimme.“
Zu diesen „Stimmen“ bei der oben erwähnten Veranstaltung gehörte auch unsere Organisation, der in Deutschland eingetragene Verein „ResRo – Interessenvertretung Restitution in Rumänien“. Nun sind schon bald vier Jahre seit der Tagung vergangen und für die Mitglieder unseres Vereins verschlechtert sich die Aussicht, wieder in den Besitz des durch den rumänischen kommunistischen Staat konfiszierten Eigentums zu kommen, immer mehr. Dabei hat der postkommunistische Staat Rumänien die in der kommunistischen Zeit erfolgte Konfiskation des Eigentums für widerrechtlich erklärt.
Die Mitglieder unseres Vereins sind in Deutschland lebende rumänische und ehemals rumänische Staatsbürger, größtenteils Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, sowie deren Kinder, deren ursprüngliche Heimat Rumänien ist. Die Wenigsten dieser Betroffenen können Erfolge im Restitutionsverfahren verzeichnen. Die Meisten klagen über immense materielle Verluste durch teure Rechtsverfahren, nervenaufreibende Auseinandersetzungen mit den rumänischen Behörden, Schikanen und gezielte Diskriminierung.
Rückblickend erinnere ich daran, dass in Rumänien am 20. Juni 1994 die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Zusatzprotokolls in Kraft getreten ist. Rumänien hatte sich somit zum Schutz des Eigentums verpflichtet. Dennoch erhielten bis zum Jahre 2001 deutsche Staatsbürger nicht das Recht, ihr Eigentum zurückzufordern. Es liegt also eine offensichtliche Diskriminierung deutscher Staatsbürger vor. Denn auch jene, die dann 2001, – aufgrund des Restitutionsgesetzes 10/2001 –, fristgerecht ihr konfisziertes Eigentum zurückfordern wollten, wurden mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Immobilien bereits 1995 durch das so genannte „Iliescu-Gesetz“ Nr. 112/1995 an die Mieter verkauft wurden.
Eine weitere offensichtliche Diskriminierung deutscher Staatsbürger besteht überdies darin, dass für die Restitution landwirtschaftlicher Flächen die rumänische Staatsbürgerschaft gefordert wird, was sogar gegen die rumänische Verfassung verstößt.
In der Resolution des US-Repräsentantenhauses Nr. 562/13. Okt. 1998 wird Rumänien darauf aufmerksam gemacht, Ausländer von der Rückgabe ihres Eigentums in Rumänien nicht auszuschließen, da ansonsten die Diskriminierungen, welche die Resolution wie folgt aufführt, weiterbestünden. Ich zitiere: „Weil totalitäre Regime, einschließlich faschistischer und kommunistischer Diktaturen, unermessliches menschliches Leid und unvorstellbare Verluste verursacht und dabei nicht nur alle erdenklichen Menschenrechte, sondern den menschlichen Geist an sich missachtet haben; Weil die Schandtaten des Kommunismus insbesondere auf die organisierte und systematische Zerstörung von Privateigentum, – einschließlich Grundeigentum, persönlichem Vermögen, Geschäftsvermögen und Finanzvermögen im Besitz von Einzelpersonen und
Gemeinschaften –, gerichtet waren …“
Ich erlaube mir, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, meinem Brief einen Artikel über Zwangsevakuierungen im Burzenland/Siebenbürgen/Rumänien, vor 60 Jahren, beizufügen. Die Zwangsevakuierungen waren die Folge der Konfiskation von Immobilien und Grundstücken. Angesichts dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist es unverständlich, dass Rumänien, ein EU-Staat, keine an die Opfer gerichtete Entschuldigung ausgesprochen hat. Stattdessen setzt die Politklasse Rumäniens auf die Fortführung des Unrechts und auf den Ausbau der Korruption.
Zwar hat das Europäische Parlament die Gefahr erkannt, die von der hochgradigen Korruption in Rumänien ausgeht, und die EU Justizkommissarin Frau Viviane Reding hat einen neuen Mechanismus zur Überwachung der Rechtsstaatlichkeit verlangt, doch ist für uns nicht ersichtlich, inwieweit das EU-Vertragsverletzungsverfahren auch die Interessen der Enteignungsopfer berücksichtigt. Wie sich aus den uns vorliegenden Beschlüssen des EU-Ministerrates vom 6. Juni 2012 ergibt, hatte bereits am 15. Mai 2012 Ministerpräsident a.D. Mihai Razvan Ungureanu bei dem Besuch im EGMR
den angeblich zurückgezogenen Entwurf des „Proiect Legislativ CEDO“ vom April 2012 als Grundlage für die Forderung nach einer neunmonatigen Verlängerung des Rumänien gestellten „Ultimatums“ bezüglich der Umsetzung von Restitutionsgesetzen vorgelegt, dessen Regelungen bekanntlich eine de facto „zweite Enteignung“ bedeuten würde. Dass dieser „Entwurf“ in das unter strenger Geheimhaltung durch den Exekutivausschuss des EMGR ausgearbeitete und am 30. Mai 2012 vorgelegte Memorandum (CM/Info/DH (2012) 18) eingearbeitet und das Dokument von den Europäischen Außenministern unterzeichnet wurde, ist eine unter keinen Umständen hinzunehmende Aushebelung wesentlicher
Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Bezugnehmend zu der im Europäischen Parlament verabschiedeten Erklärung zu Sozialer Marktwirtschaft der EVP-Fraktion die dem EVP-KONGRESS im Oktober in Bukarest für die Einbeziehung in das Europawahlmanifest 2014 vorgelegt wird, weise ich im Namen unserer Mitglieder darauf hin, dass wir davon überzeugt sind, dass die wirtschaftliche Gesundung Rumäniens, die nur durch Rechtsstaatlichkeit
geschaffen werden kann, im direkten Zusammenhang mit der Verwirklichung einer gerechten Restitution steht.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich bitte Sie unsere Vorschläge zur Neuen Gesetzgebung im Bezug auf die Restitution zu unterstützen:
• Restitution in Natura muss Vorrang haben. Das würde die Staatskasse am wenigsten belasten. Der Staat sollte diejenigen Mieter, welche nach dem Gesetz 112/1995, das ein Enteignungsgesetz ist und gegen europäische Wertvorstellungen verstößt, durch Rückzahlung der Kaufsumme entschädigen. (Die Immobilien wurden zu Spottpreisen vom rumänischen Staat gekauft.)
• In Ausnahmefällen könnten die oben erwähnten Mieter (Eigentümer von staatlichem Diebesgut) auch von den ursprünglichen, rechtmäßigen Eigentümern als Mieter übernommen werden.
• Rückgabe in Natura auch von landwirtschaftlichen Flächen, ohne Forderung der rumänischen Staatsbürgerschaft seitens der Behörden. Sollte der rechtmäßige Eigentümer damit konfrontiert werden, dass sein Grundstück an Dritte verkauft wurde, dann müsste er dennoch das Recht haben, eine Eigentumsurkunde für sein Grundstück zu erhalten und die Möglichkeit, es dem gegenwärtigen „neuen Besitzer“
zu verpachten.
• Aufhebung der Benachteiligung deutscher Staatsbürger, die nicht fristgerecht auf Basis des Gesetzes 10/2001 Restitutionsanträge haben stellen können, durch neue Antragsfristen in angemessenen zeitlichen Abständen und die rechtzeitige Bekanntgabe der neuen Termine durch die zuständigen Ämter.
• Bei Zahlung von Entschädigung soll diese nach Marktwert berechnet und nicht gestaffelt ausgezahlt werden.
• Wir fordern Rückgabe in Natura und, – wo das nicht möglich ist –, eine rechtsverbindliche Begründung dafür und eine Entschädigung nach Marktwert, ohne Gerichtsverhandlungen. Die Konfiskationen fanden schließlich auch ohne Gerichtsverhandlungen statt und wurden in keinem Ostblockstaat, außer in der Sowjetunion, in so großem Ausmaß und mit solcher Brutalität durchgeführt, wie in Rumänien. Prozesse, die von unqualifizierten und illoyalen Rechtsanwälten vertreten wurden und aufgrund von falschen Dokumenten, oder durch Falschaussagen verloren wurden, sollen auf Staatskosten wieder aufgenommen werden, weil es sich um Folgeschäden staatlich geförderter Korruption handelt.
Setzen Sie sich auch bitte dafür ein, dass Menschenrechte, wie sie der EGMR zu verteidigen hat, nicht durch korrupte rumänische Politiker eingeschränkt, oder sogar abgeschafft werden!
Mit freundlichen Grüßen
Karin Decker-That
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