Die Geschichte Südosteuropas neu denken. Aufsatz ueber die Migration als Wesensmerkmal dieser Region
DE: Wie der Titel schon sagt: Die in der Geschichtsschreibung bislang grosszuegig ignorierte jahrhundertelange MIGRATION in Suedosteuropa koennte eine voellig neue Sichtweise auf dies europaeische Grossregion eroeffnen, deren Geschichtsschreibung bisher nur STAAT und NATION als wesentliches Strukturelement der Entstehung der hiesigen Gesellschaften behandelt hat. Kaeme auch die Migration hinzu, wuerde die innere Logik so vieler ‘sinnloser’ (gewaltvoller) Ereignisse in diesen Laendern ploetzlich verstaendlich.
RO: Istoriografia privind sudestul Europei a tratat de regula doar STATUL si NATIUNEA ca elemente de baza a devenirii societatilor din acest spatiu. Eseul istoricului Holm Sundhaussen propune o viziune surpinzator de noua asupra acestui spatiu, cu includerea MIGRATIEI ca al treilea element constitutiv.
EN: Historians usually treat the state and nation as the (only) two main categories that have shaped today’s societies of Southeastern Europe. Holm Sundhaussen from the Free University of Berlin advocates though for including MIGRATION as category No. 3 in the ‘equation’. This would shed a completely new light on this part of Europe – and suddenly ‘add’ sense to so many otherwise ‘senseless’ historic events in our region…
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Ein 38 Seiten langer Aufsatz (LINK: Geschichte Südosteuropas als Migrationsgeschichte) des Berliner Suedosteuropa-Historikers Holm Sundhaussen von 2007 schlaegt eine neue Lesart der Geschichte des weiteren Balkanraumes (inklusive Ungarns und Griechenlands/der Tuerkei) vor. Der Titel der Arbeit, die in der Zeitschrift Suedost-Forschungen Nr. 65/66 von 2006/2007 erschien verraet schon, woran dem Autor gelegen ist: Er moechte die “Geschichte Suedosteuropas [auch] als MIGRATIONsgeschichte” verstanden wissen – ergaenzend zu der bisher ausfuehrlich – und oft missbraeulich – behandelten Geschichte der STAATEN und NATIONEN dieses Raumes.
Ohne die fuer den Suedosten des Kontinentes seiner Meinung nach konstitutive, strukturbildende Geschichte der Wanderung der hier siedelnden Gruppen bliebe die Historiographie dieser Grossregion unvollstaendlich – und mehr noch: unverstaendlich. Weder fuer Hiesige noch fuer Aussenstehende. Der Grund: Staat und Ethnos/Nation waren ueber viele Jahrhunderte alles andere als deckungsgleich – gemeint ist dabei in der vorliegenden Arbeit der Zeitraum von Ende des 14. Jh. bis in die Gegenwart.
Ausgehend von der im oben genannten Zusammenhang frappierenden Feststellung, dass es eine umfassende Darstellung der Migrationsgeschichte des europaeischen Suedostens noch gar nicht gibt, detailliert Sundhaussen sein Untersuchungsziel noch weiter. Und zwar soll “Der migrationsgeschichtliche Ansatz […] dazu beitragen, die im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen Bilder von mehr oder minder statischen Grenzen zwischen Ethnien und Nationen, zwischen Mehrheiten und Minderheiten sowie die Mythen von Autochthonität und Kontinuität der Siedler zu hinterfragen.”
Der Erkenntnisgewinn, den der Forscher in Aussicht stellt, ist entsprechend grosszuegig bemessen und bestuende darin, dass “sich eine völlig andere Sicht auf Südosteuropa eroeffnet“, wenn man nur “den Blick über alte/neue Grenzen hinweg richtet.” “Erkennbar wird ein Raum der Bewegung, in dem Gruppen und Einzelne immer wieder die jeweils existierenden staatlichen, ethnischen sowie religiösen, sprachlichen und kulturellen Grenzen durchbrachen.” Denn, so der Autor, stellte “der Wohnortwechsel in unterschiedlichster Form für große Teile der Bevölkerung des vergleichsweise dünn bevölkerten Südosteuropa seit Jahrhunderten eine gewohnte Erfahrung dar.” (Zitate: S. 428; S. 7 des pdf-Dokuments)
Zwei Wanderungsepochen: Vor und nach Gruendung der Nationalstaaten
Der Autor trennt die Wanderungen der Vormoderne im weiteren Balkangebiet in zwei distinkte Perioden: vor und nach Gruendung der Nationalstaaten (ausfuehrlich dargestellt bis S. 449 und ab S. 449). Vor der Gruendung selbiger gab es im osmanisch besetzten/’einverleibten’ Suedosten keine Binnengrenzen, ebensowenig in Ungarn unter Habsburger Herrschaft. Beides hat ueber laengere Perioden zu einem kollektiven Kommen und Gehen beachtlichen Ausmasses beigetragen. (Nicht unaehnlich der betraechtlichen Binnenmigration innerhalb der EU…)
Zur Zeit der schrittweisen Konstituierung der Nationen im fruehen 19. Jh. gefolgt von der Gruendung der Nationalstaaaten auf plurinational besiedelten Gebieten “wiesen die meisten Teilregionen Südosteuropas eine nach Sprache und/oder Religion und/oder Herkunft sehr gemischte Bevölkerung auf: von der Bukowina und Bessarabien im Norden über Siebenbürgen, die Dobrudscha, die Gebiete der k. u. k. Militärgrenze bis nach Bosnien, Kosovo, Makedonien und Thrakien im Süden, um nur einige Beispiele zu nennen. Fast alle größeren und
viele kleinere Städte unterschieden sich ethnisch von der Bevölkerung des Umlands und von der Titularnation des künftigen Nationalstaates. Das galt für Budapest ebenso wie für Czernowitz, Osijek, Hermannstadt, Belgrad, Sarajevo, Skopje oder Saloniki sowie für viele andere. Nahezu überall klaffte zwischen den virtuellen Nationalstaaten der jungen nationsbildenden Eliten und den ethnischen Siedlungsstrukturen eine unüberwindbar erscheinende Diskrepanz.” (S. 449)
Slawoniens Geschichte = Migrationsgeschichte im ehemaliges Grenzgebiet zwischen Osmanischem und Habsburgerreich, zw. “Ost” und “West”.
Groesste Wanderungswelle seit der slawischen und ungarischen Landnahme…
Die Folge dieser Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Anspruch: “Nach anfänglichen Schwankungen entschieden sich die Nationsbildner in Südosteuropa für das Konzept der Volksnation (gemäß dem ius sanguinis), das zur Exklusion jener Bevölkerungsgruppen führen musste, die tatsächlich oder vermeintlich anderer Abstammung waren bzw. aufgrund von Selbst- und/oder Fremdzuschreibung nicht zur Nation gehörten. Das Konzept der ethnisch konstruierten Nation löste eine kumulativ wachsende Kettenreaktion von Migrationen aus.
Damit begann die größte Bevölkerungsverschiebung, die es seit der slawischen und magyarischen Landnahme vom Ende des 6. bis zum 10. Jahrhundert in Südosteuropa gegeben hatte. Historiker, Philologen, Ethnographen, Politiker, Militärs und Para-Militärs starteten ein gigantisches Projekt, dessen Ziel die Territorialisierung imaginierter Nationen war. Generationen von Gelehrten versuchten, die migrationsbedingte Vielfalt zu entwirren und die Bevölkerung in das Prokrustesbett ihrer Nationskonzepte zu pressen.
Sie führten ethnographische Untersuchungen durch, bemühten sich um den Nachweis des Erstsiedlungsrechts für ihre Nation, konstruierten Kontinuitäten und Erbfeindschaften, die es nie gegeben hatte, und sortierten die Migrationen der vorangegangenen Jahrhunderte nach Recht und Unrecht.” (S. 449f)
(Kommt’s manchen von Ihnen bekannt vor? 😉 )
In der Zeit der Aufloesung der Imperien ab dem fruehen 20. Jh. setzten die staatsgesteurte Migration ein, die anfangs noch auf Freiwilligkeit beruhte (1913 zwischenBulgarien und der Tuerkei), nach dem I. Weltkrieg teilweise jedoch schon vorgeschrieben war (griechisch-tuerkischer Bevoelkerungsaustausch von 1923). Kulminationspunkt waren Ende des 20. Jhs. mit Sicherheit die Vertreibungen zum Zwecke der neuen Nationalstaatsgruendungen in Ex-Jugoslawien. Insgesamt duerften von 1912-2000 cca. 12 Millionen Personen in Suedosteuropa individuell und in Gruppen ihren Wohnort dauerhaft verlassen und verlegt haben.
Auf das Schicksal der abgewanderten/deportierten Aromunen, Juden, Roma, Deutschen und Ungarn im 20. Jh. geht der Autor hierbei auch ziemlich ausfuehrlich ein…
Der Autor schlussfolgert, dass “[sich] mit den Paradigmen der Staats- und Nationalgeschichte die Geschichte Südosteuropas nicht adäquat erfassen [lässt]. Melville Chaters Behauptung „folk wanderings are the roots of (man’s) history“ wird der Vergangenheit dieser Region sehr viel besser gerecht als die großen nationalen Meistererzählungen, die von einer „Urzeit“ bis zur Gegenwart reichen.”
Mein persoenliches Fazit: Wer endlich verstehen will, was mit dem Balkan los ist, dem empfehle ich die (wiederholte) Lektuere dieses Aufsatzes. Er bringt endlich Licht in die Dunkelkammern der mythenschwangeren, gewaltgenerierenden, “nationalfantastischen” Grosserzaehlungen.
Der Aufsatz kann hier heruntergeladen werden (FACEBOOK) oder hier >>>
Auf der Flucht vor (den eigenen) nationalen Mythen… (li.: Serben aus dem Kosovo 1999; re.: Deutsche aus Ungarn, 1945)
Deutsche sind aus Ungarn 1946 vor allem in plombierten Viehwaggons “exportiert” worden. Sicher sind einige, die es sich “richten” konnten, vorher auch bereits getürmt, vor allem dann, wenn sie massiv Dreck am Stecken hatten …
Wer sich damit ein wenig befasst hat, weiß, dass es da 1943 so eine “Soli Deo Gratia” Veranstaltung am Plattensee gegeben hat, die in Wirklichkeit nur ein Vorwand zum “Ausdiskutieren” der angedachten Vertreibung der Deutschen aus Ungarn war.
Die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn war also mit Sicherheit keine “vorwiegend kommunistische Sache”, wobei die vorwiegend jüdischstämmigen Spitzenfunktionäre der ungarischen KP keinerlei emotionelle Hemmungen hatten das Gewünschte “zum Wohle Ungarns” umzusetzen …
Dennoch sollte man die Sauerei keineswegs den Kommunisten Ungarns in deren sowieso mit überaus reichlich Dreck gefüllten Schuhe stecken!
Was bei der Beobachtung der ganzen Migrierei am kulturellen Balkan auffällt, ist z.B. die Tatsache, dass europaweit betrachtet große Zigeunerminderheiten nur in Ländern, die einstmals zum Osmanischen Imperium gehörten, bestehen, bzw. in Ländern mit denen solche Länder einstmals eng verflochten worden sind. Das sind die Slowakei – nur deren Südteil war bekanntlich osmanisch verwaltet – sowie die Tschechei, die das Zigeunerproblem von der Slowakei, die sie sich aus der habsburgischen Erbmasse gemeinsam mit Transkarpathien herausgerissen hat, “erbte”. Von diesen 2 Ländern abgesehen haben keine Staaten in Relation zur Gesamtbevölkerung erwähnenswerte Zigeunergruppen im Lande!
Ein anderes nie wirklich diskutiertes Phänomen war die zeitweise massive Abwanderung von Menschen ins Osmanische Imperium. Möglicherweise waren die Kämpfe der Habsburger mit den Osmanen auch dadurch begründet. Man musste um fast jeden Preis ein massives Überwechseln der geschundenen und total pauperisierten Leibeigenen ins osmanische Gebiet verhindern, wollte man nicht riskieren, dass ihro stinkfaule und sauverfressene Gottesganden sich selber vor den Pflug zu spannen gehabt hätte …
In der Blütezeit des Osmanischen Imperiums konnte ein zugewanderter deutscher Schweinehirt bei entsprechendem Talent, Geschick und Glück im Osmanischen Imperium durchaus sogar bis zum Wesir aufsteigen und es standen ihm theoretisch so gut wie alle Möglichkeiten im Osmanischen Reich offen. Einzig seine Schwanzerlspitze hatte er sich – wie ein Dackel oder Boxerhund in späteren Zeiten – kupieren zu lassen und eben die Halbmonderlvariante des Abrahamitismus´ gegenüber der Kreuzerlvariante offiziell zu präferieren …
Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation konnte er auf Grund des starren und allgemein gültigen Ordoprinzips theoretisch nur als Schweinehirt in das kreuzerlabrahamitische Paradies einziehen!
Dieser Aspekt unserer Geschichte, der letztlich wohl – neben der damaligen technischen und kulturellen Überlegenheit der Eroberer – der Hauptgrund für die Expansionserfolge der letzten großen Zuwanderwelle von Eroberern aus Asien in Europa war, wird unverändert konsequent negiert! Wir bekommen unverändert die bekackte Hetzpropaganda von ihro Gottesgnaden und Spießgesellen unter die Nase gerieben und sollen diesen Schwachsinn bis in alle ewigen Zeiten ungeprüft fressen …