“Der Weltkrieg und das ukrainische Problem”. Ein Blick in die Zukunft durch den Rueckspiegel der Geschichte
Also schrieb anno domini 1915 Ottokar Stauf von der March selbstbewusst-bombastisch in seinem 72 Seiten starken Propagandabuechlein ueber das noch recht junge Weltkriegsgeschehen – und man glaubt die heutige Tagespresse zu lesen:
“Seit Monaten droehnt Kanonendonner, schwirren Gewehrkugeln in der Luft auf weiten Gebieten. Es wird ein erbitterter Kampf gefuehrt, (…). Dieser Krieg ist ein Krieg der Kultur und Gesittung gegen Barbarei, Heuchelei und Niedertracht. (…) Dieser Krieg wurde den Zentralgrossmaechten Europas (…) von dem unersaettlichen und uebermuetigen russischen Koloss (…) aufgezwungen. Asiatische Barbarei (…) droht ueber das zivilisierte Europa wie eine Suendflut hereinzubrechen (…). Von leidenschaftlichen Revanchegeluesten genaehrt sank die franzoesische Republik zur willenlosen Dienerin des moskovitischen Zarismus herab (…).
Das ukrainische Problem wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach publizistisch behandelt, ja sogar in diplomatischen Kreisen angeregt (…).Die gegenwaertige neue Lage hat unter anderen auch das ukrainische Problem wieder in den Vordergrund gerueckt.
Insbesondere mit Ruecksicht auf die staendige Bedrohung des europaeischen Friedens von seiten des russischen Zarenreiches (…) glaubt der Verfasser, durch eingehende Information ueber das ukrainische Problem, dessen Wuerdigung und damit auch dei Klaerung einer fuer den europaeischen Frieden eminent wichtigen Frage die Wege zu ebnen.”
Quelle: Stauf von der March, Ottokar: Der Weltkrieg und das ukrainische Problem: ein Beitrag zur Aufklärung der gegenwärtigen politischen Lage, S. 3-6. Berlin, 1915.
Drei schlechte Jahre spaeter lag sowohl Oesterreich-Ungarn in Scherben als auch das (ehemalige) Zarenreich. Einen Leseversuch ist obiges Kriegsessay bestimmt wert, selbst wenn man u.U. nicht weit kommt, da man sich schon nach einigen Seiten in den Weiten der polnisch-ukrainischen Grenzgebiete einer laengst untergegangen(en) (geglaubten) Epoche verirrt hat. Fuer die Zaehen unter uns uns winkt am Ende eine Portion poetischen Erkenntnisgewinns. Wie sagte schon der unsterbliche ukrainische rumaenische National(ismus)dichter Michail Eminovich: “Alles ist alt – und neu ist alles!“
PS: Mitte-Ende Juni passiert in Sarajevo eine grossangelegte internationale Tagung zu WK I, dieser Ursuende des modernen Europa, manca-l-ar focu’! Mit etwas Glueck werde ich als Journalist akkreditiert, obwohl ich ja gar keiner bin, um den Geschichten ueber die Geschichte zu lauschen…