Der bisher größte Erfolg von NW vor Gericht – und einige Überlegungen dazu

 

 

Der gerichtlich verordnete Stopp der illegalen Grossbaustelle in einem Nationalpark am Schilfluss (Jiu) in den rumaenischen Suedkarpaten kam so schnell, beilaeufig und unerwartet, dass ich die ganze “Geschichte” immer noch wie einen Film als Zuschauer betrachte und nicht als Beteiligter. Was war geschehen? Seit circa 12 (zwoelf!) Jahren baute die korruptionsverdaechtige staatliche Wasserkraftfirma HIDROELECTRICA S.A. am Schildurchbruch bei Bumbesti-Livezeni eine Reihe von sogenannten Kleinwasserkaftwerken, obwohl das Areal inzwischen zum Nationalpark erklaert worden war und Umweltvertraeglichkeitsstudien usw. haetten estellt und zusaetzliche Genehmigungen eingeholt werden muessen. Die Betreibergesellschaft (eine Art Staat im Staat) und die zustaendigen Umweltaemter taten aber so, als ob das nicht noetig sei und steigerten das Bauprojekt in beinahe schon pharaonische Dimensionen – so dass ‘jeder” (Umweltorganisationen, Gerichte usw.) davor zurueckschreckte, sich dem Bauvorhaben entgegenzustellen – obwohl dabei einer der letzten natuerbelassen Gebirgsfluesse samt Flora und Fauna zerstoert und in kilometerlange Rohre umgeleitete werden sollte.

Alle Umweltorganisationen und alle Gerichte? Nein! Bankwatch Romania aus Bukarest und Neuer Weg aus Fogarasch, die seit Jahren gemeinsam (erfolglos) versuchen, das illegale und zerstoererische Grosssaegewerk der Firma Holzindustrie Schweighofer in Reci/Rety im Kreis Covasna zu stoppen, nutzten einen der letzten Termine um Einspruch gegen eine neu ausgestellte Baugenehmigung (ohne Umweltvertraeglichkeitsstudie) einzulegen und so kam es im wahrsten Sinne 1 Sekunde vor 12 doch noch zum Prozess (Prozessbeginn 23. 03. 2017). Die Beklagte Partei wendete alle juristischen Tricks an, um die Klage abzuschmettern – und gewann prompt in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Bukarest (am 22. 06. 2017). Berufungsklagen haben in der Regel wenig Aussicht auf Erfolg – trotzdem versuchte es unsere mit Umweltsachen wohlvertraute Anwaeltin Catalina Radulescu. Klageeinreichung am 23. 08. 2017 und ein schnelles Urteil – 100% zu unseren Gunsten – bereits am 14. 12. 2017. Mit Blick auf unsere teilweise seit vier Jahren sich dahinziehenden Prozesse gegen Holzindustrie Schweighofer, ein Rekordtempo.

Die frohe Botschaft zum Prozesserfolg erreichte mich unerwartet und fern der Heimat zum Jahresende 2017, so dass ich vor allem seine Tragweite erst einmal froehlich ignorierte. Erst nach der Rueckkehr nach Rumaenien Anfang Januar, erfahre ich Schritt fuer Schritt aus der Presse, was Bankwatch und Neuer Weg “angerichtet” haben: Ein Megadesaster fuer die Umwelt auf halbem Weg gestoppt – und dabei einen Kollateralschaden fuer die Investoren von 155.000.000. (einhundertfuenfundfuenfzig Millionen Euro) = circa 1 Milliarde Lei “verursacht”, den ich gleich mal an die uebermuetigen Investoren und Behoerden “weiterreiche” – denn haette z.B. jemand wie ich illegal einen winzigen Bachlauf verbaut und verschandelt und waere dabei gestoppt und bestraft worden, waere ich fuer den Schaden aufgekommen und niemand sonst. Tja – und mittlerweile liest man in der Zeitung, dass sich Behoerden, Betreiber und sonstige Betroffene zusammensetzen und “Auswege” aus dem Schlamassel suchen. Ein neuer Rekurs vor dem Obersten Kassationsgericht waere theoretisch moeglich, rechtlich aber schwiergi bis aussichtslos, so dass alle ziemlich dumm dastehen, nachdem sie bis vor Kurzem so taten, als stuenden sie ueber dem Gesetz, nur weil sie mit einer “strategischen Grossinvestition in erneuerbare Energien” herumhantierten.

Wie gesagt, fuer mich, der ich v.a. auf Waldthemen ausgerichtet bin sowie seit einiger Zeit auf Regionalisierungs- und Buergerrechtsfragen, ist das bisher Geschehene noch gar nicht richtig eingeordnet uund verdaut. Dieser Bericht hilft mir jedoch dabei… Einige Ueberlegungen zu diesem Erfolg habe ich gestern spontan auf Rumaenisch niedergeschrieben und moechte das Wichtigste davon hier zusammengefasst wiedergeben:

1. Der Einsatz von NW und mir fuer die Gewaesser hat eine frustrierende Vorgeschichte: 2012 rollte eine Investitionswelle in Kleinwasserkraftwerke durchs Land bzw. die letzten unverbauten Gebirgsfluesse unseres Landes. Trotz des Engagements und Protestes vieler von uns, konnten wir keines der haarstraeubend illegalen und zerstoererischen Projekte stoppen oder vermeiden. Die meisten Wildbaeche im Fogaraschergebirge (mittlerweile ebenfalls ein Nationalpark) sind “zerbombt” und in Rohre geleitet zum Nutzen von Privatinvestoren und zum Nachteil von Natur, Touristen, Gesamtbevoelkerung und Staat (weil die EU wie erwartet ein Infringementverfahren gegen Rumaenien eroeffnet hat). Nun also verspaetet die “Genugtuung”, dass uns ein Gericht doch recht gibt und das laengst faellige Signal an die Entscheidungstraeger aussendet: SO NICHT!

2. Was die subventionierten, illegalen Kleinwasserkraftwerke fuer die Fluesse sind, sind die Grosssaegewerke fuer die Waelder Rumaeniens. Ohne Vor- und Nachteile abzuwaegen und durch Umweltvertraeglichkeitsstudien zu pruefen, liessen die Behoerden Schweighofer, Kronospan, Egger, Kastamonou und Co. drauflosbauen und -saegen, dass die Gebirgshaenge sich in kuerzester Zeit in KahlflaecheN verwandelten – mit allen massiven, direkten und indirekten Nebeneffekten wie Landerosion, Sturzbaechen, Verlandung von Stauseen, Zerstoerung kleiner Holzverarbeitungsbetriebe, Moebelbauer und Werkstaetten, Verdoppelung des Brennholzpreises usw. Es waere an der Zeit, dass die Gerichte auch in Sachen Wald- und Holzwirtschaft endlich das gleiche ernstzunehmende Warnsignal aussenden, dass diese Art des Wirtschaftens in Raeubermanier auch in Rumaenien NICHT MEHR TOLERIERT WIRD.

3. Gleiches gilt fuer Goldminenprojekte (Rosia Montana, Certej), Schiefergasaufsuchungen (Chevron, Gazprom, Prospectiuni S.A., OMV, Nispetrol u.a.): SO NICHT, wie bisher! Nicht ohne ernsthafte Umweltvertraeglichkeitsstudien und oeffentliche Anhoerungen und Beteiligung bei den Entscheidungen!

4. Gleiches gilt fuer sonstige Vorhaben, v.a. im Bereich Denkmalschutz: SO NICHT wie bisher! (mit viel Geld viel historische Bausubstanz fuer immer verunstalten)

5. Gleiches gilt nicht zuletzt fuer die Auswahl politischer Fuehrungskraefte und “Eliten”: SO NICHT wie bisher! (Ohne Vetterwirtschaft, Gemauschel mit Geschaeftsleuten, ueber Plagiate erworbene Doktortitel, Populismus und Inkompetenz!)

So und nur so kommen wir als Land langsam raus aus der bisherigen Position als billiger Rohstoff-, Energie-, Arbeitskraft-, Taschendieb- und Bettlerexporteur und steigen in der internationalen Arbeitsteilung auf in eine bessere Liga, in der man auch politisch eher wahr- und ernstgenommen wird als bisher. Was wiederum besser bezahlte Arbeitsplaetze mit sich bringt – die erst die jungen, kreativen Leute im Land halten bzw. zuruecklocken. Sollte das Urteil zum gestoppten Schilprojekt dazu beitragen, werden auch die sinnlos verbuddelten 155 Millionen Euro oeffentlicher MIttel nicht ganz umsonst gewesen sein. Hans Hedrich, Verein Neuer Weg 14. 01. 2018

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Posted by at 14/01/2018
Filed in category: Natur & Schutz,

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