“Das letzte Buch, das letzte Buch…” (Interview mit einem neureichen Jungpolitiker)
Die Tageszeitung Adevărul veroeffentlichte im September d.J. eine Interviewserie mit den juengsten Parlamentsabgeordneten unter dem Titel „Die Erben des Systems”. Das Interview [Autoren Mihai Voinea und Cristian Delcea] mit dem PSD-Abgeordneten Adrian Mocanu aus Buzau [Moldau] loeste damals eine Welle der Entruestung bei den Lesern aus. Das hinderte den Jungpolitiker jedoch nicht, die Wahl vom 09. 12. mit 67,49 % erneut zu gewinnen.
Weiter unten einige Auszuege aus dem Interview – piratuebersetzt von Hans Hedrich und ohne freundliche Genehmigung von Adevarul. (Obige Einleitung entstammt ebenfalls Adevarul!)
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Adrian Mocanu (29) war der juengste rumaenische Parlamentsabgeordnete nach 1989, der 2008 im Alter von nur 25 Jahren ein Mandat als Abgeordneter in einem Wahlkreis in Buzau erringen konnte. Er gibt zu, dass er es dank seines Vaters in die Politik geschafft hat, dem ehemaligen Kreisratsvorsitzenden (2000-2012) und “Lokalbaron” Victor Mocanu. Mocanu sen. wurde unter anderem vorgeworfen, “fette” Auftraege an die Firma seines Schwiegersohnes vergeben zu haben [illegal wegen Interessenkonflikt – H.H.] sowie, dass er schwerwiegende Verstoesse bei der Vergabe von Vertraegen fuer die Schneeraeumung begangen haben soll.
(…)
Lebenslauf von Adrian Mocanu
Geburtsdatum und -ort: 12 Mai 1983, Buzău
Bildungsweg:
– Wirtschaftshochschule (Academia de Studii Economice)
– Juristische Fakultaet „Titu Maiorescu”
Berufliche Laufbahn:
– (2002 – 2008) Geschaeftsfuehrer der Firma SC Romaniţa ’93 SA
– (2008 – heute) Abgeordneter im rumaenischen Parlament
Reporter (R): Sie sind Sohn eines Politikers. Es entsteht der Eindruck, dass der Uebergang zwischen den Politikergenerationen zu einer familieninternen “Erbschaftsangelegenheit” wird.
Adrian Mocanu (AM): Was mich betrifft, stehen die Dinge ganz anders. Mein Vater wurde nicht ernannt, sondern von den Buergern in Buzau gewaehlt. Und auch ich bin gewaehlt worden!
R: Sie Haben unsere Frage nicht beantwortet. Wie widerlegen Sie diese Aussage?
AM: Wie soll ich sie widerlegen? Sie stimmt – aber was soll schlimm daran sein?
R: Das wissen wir nicht, ob es gut oder schlecht ist, es gibt aber diese Tendenz. Es entsteht scheinbar eine Erbschafts-Nomenklatura.
AM: Das ist zu viel gesagt. Wenn Sie mal in meinen Wahlkreis gehen und die Meinung der Buerger ueber mich hoeren, werden Sie die Frage wohl nicht mehr so stellen! Ich war bei kirchlichen Festen anwesend, habe…
R: Vielleicht merken das nicht alle Buerger – es ist vielleicht eher was fuer die politische Analyse.
AM: Glauben Sie, ich habe es noetig, von irgendeinem Analysten gewaehlt zu werden? Mich muessen die Leute waehlen. Die politischen Analysten kannst du nicht zufrieden stellen, egal wieviel Gutes du tust!
(…)
R: Sie haben die PSD irgendwann verlassen…
AM: Ja, ich bin ein paar Wochen lang unabhaengig gewesen wegen einer persoenlichen ‘Sache’ mit Ion Vasile, dem ehemaligen PSD-Vorsitzenden in Buzau.
R: Haben Sie nicht mehr an die Sozialdemokratie geglaubt?
AM: Ich habe (weiterhin) an die Sozialdemokratie geglaubt, aber nicht mehr an Ion Vasile. Er liess mich nicht, meine Taetigkeit ausueben und mit den Menschen reden. (…) Du einer hast viel Arbeitseifer, setzt dich ins Auto und faehrst zu einem kirchlichen Feiertag und so. Ihn stoerte das aber.
R: Wie erklaeren Sie einem jungen Menschen, der in die PSD eintreten moechte, was Sozialdemokratie bedeutet?
AM: Ich einer glaube, dass die PSD zur Zeit (…) vor allem fuer die jungen Menschen… Mein Herr, wozu noch darueber reden? Wir muessen vor allem daran denken, was die PDL [Mitte-Rechts-Partei und bis Fruehjahr 2012 an der Regierung – H.H.] gemacht hat. Wissen Sie, wann ich nach 2 Wochen als Unabhaengiger wieder in die PSD eingetreten bin? Als ich bei der Abstimmung zur Kuerzung der Renten und [Staats-]Gehaelter nicht anwesend war.
R: Trotzdem, wie wuerden Sie einen jungen Menschen davon ueberzeugen, in die PSD einzutreten?
AM: Vor allem ist sie links. Wie koennen wir in Rumaenien an etwas anderes glauben als an die Linke? Wie denn?
(…)
R: Sie haben vor Kurzem die Tochter des reichsten Mannes der Stadt geheiratet.
AM: Ich bin seelisch reich. Seitdem ich geheiratet habe, bin ich seelisch reich. Ja, der Vater meiner Frau ist ein Geschaeftsmann. Ich weiss nicht, ob er der Reichste in Buzau ist.
R: Was fuer einen Wagen fahren Sie?
AM: Einen Volkswagen Passat Baujahr 2008.
R: Ich las irgendwo, Sie haetten einen BMW X6.
AM: Ich einen X6? Schauen Sie mal in meiner Vermoegenserklaerung nach, ob Sie dort einen finden!
R: Ich las ueber einen Unfall, den Sie mit einem X6 hatten.
AM: Meine Frau hat einen BMW X6.
R: Es geht darum, dass Sie reich sind und es ziemlich sonderbar ist, wenn Sie ausrufen “Wie koennen wir an etwas anderes glauben als an die Linke?”
AM: Reich? Ich bin reich, weil ich eine Familie gegruendet habe, weil meine Eltern gesund sind. Ich glaube, dass nur die Linke Rumaeniens Probleme loesen kann.
R: Was haben Sie innerhalb Ihrer Mandatszeit erreicht?
AM: Also, soll ich Ihnen damit kommen, wie vielen Kirchen ich geholfen habe und…?
R: Das ist aber nicht die Aufgabe eines Abgeordneten.
AM: Wieso nicht?
(…)
R: Sehen Sie, es faellt Ihnen schwer, reale Probleme zu erkennen, weil Sie wegen Ihrer Herkunft aus einer wohlhabenden Familie den Kontakt zur Realitaet etwas verloren haben.
AM: Den Kontakt zur Gesellschaft verloren? Sagte ich Ihnen nicht, dass ich erst gestern bei der Eroeffnung eines Marktes anwesend war in einem Ort mit ueber 2000 Seelen?
R: Dann nennen Sie ein paar Dinge, die geaendert werden muessten.
AM: Wie schon gesagt, diese Sache mit den Arbeitslosen. Wir muessen was tun. Im Ort Săpoca, der ja auch im Buch der Rekorde steht – Sie haben es gesehen – wegen dem groessten Salat der Welt…
R: Ist der im Garten eines Ortsbewohners gewachsen oder wie?
AM: Nein, mein Herr, der Salat wurde zubereitet! Salat zum Essen.
R: Und wie hilft das den Arbeitslosen?
AM: Sehen Sie, wie Sie sich ueber mich lustig machen? (…) Das bedeutet, dass dort viele Tomaten angebaut werden und Zwiebeln. Zwiebeln aus Buzau. Du musst bekannt werden, einen brand [eine Marke] schaffen. Dort in der Gegend liegt auch Pleşcoi. Die Wuerste von Pleşcoi!
R: Und haben Sie zum Salat etwas beigetragen?
AM: Wieso beigetragen? Ich war dort eingeladen.
(…)
R: Was fuer Hobbies haben Sie?
AM: Ich lese.
R: Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
AM: Puuuh! Das letzte Buch, das letzte Buch… (denkt nach). Das letzte Buch… Also dieses Jahr habe ich nichts gelesen.
R: Es ist bald Oktober. Dann ist es doch kein Hobby!
AM: Doch, es ist ein Hobby, ich hatte aber nicht so viel Zeit. Ich hatte auch Wahlkampf waehrend der Lokalwahlen und so Sachen.
Richtungsweisend… Adrian Mocanu
(Quelle fuer Foto und Artikel: Adevarul.ro)
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