Das Kreuz mit Deutsch-Kreuz
Was ist nur los mit Deutsch-Kreuz? Vor ueber 10 Jahren verwandelte sich im alterhwuerdigen, teilweise denkmalgeschuetzten Dorf Deutschkreuz/Crit (DK), Kreis Kronstadt/Brasov, das ehem. evangelische Schulgebaeude Stueck fuer Stueck in eine Ruine mitten im Ort. Um 2008 herum “beglueckte” der regionale Stromversorger den Ort mit unansehlichen Strommasten aus Beton und Stromzaehlern an den Aussenfassaden der Bauernhaeuser. 2011 erfolgten Renovierungsarbeiten aus EU-Geldern an der Kirchenburg – allerdings in einer unzumutbar schlechten Qualitaet. Im Mai 2012 liess der wahlkaempfende Buergermeister unpassende Gehsteige durch den Ort ziehen und eine massige Betonbruecke errichten. Im August 2012 schliesslich liess die Stiftung eines wohlhabenden Deutschkreuzers unter dem Vorwand missratener Renovierungsarbeiten das Pfarrhauss illegal abreissen und machte sich schon an einen Neubau… Immerhin: Die Behoerden schritten ein und stoppten ihn. Soweit die beeindruckenden “Erfolge” in Sachen Kulturgutzerstoerung in Deutsch-Kreuz waehrend der letzten etwa 10-15 Jahre…
Ach ja – und seit einigen Jahren stiehlt man in der Gemeinde mit Vorliebe alte Holzbalken und verkauft sie an Abnehmer in Oesterreich (oder an einen Zwischenhaendler – genauer, den Neffen des Buergermeisters…)
Foto: www.siebenbuerger.de
Rueckblick: In DK war ich zum ersten Mal vor ueber 10 Jahren, glaub’ ich. Und dann wieder um 2006 herum, mit einer Freundin. Das Schulgebaeude vor der Kirchenburg sah 2006 schon total ausgeschlachtet aus – von den Einheimischen, denen das scheinbar aufgelassene saechsische Kulturgut zurecht(?) als Selbstbedienungsssteinbruch gegolten haben muss. Die Behoerden schien es nicht nur nicht zu kuemmern – es kuemmerte sie tatsaechlich nicht. Damals war es noch oft Mode, die (abwesenden) Sachsen auf den Doerfern zu hassen (um sich von ihrem noch-Hab-und-Gut guten Gewissens bedienen zu koennen). Den Ausflug an jenem Tag nannten wir eine “Depri-Tour”…
(Foto: Karina Schmidt)
Um 2007 oder 2008 herum alarmierte die Mihai-Eminescu-Stiftung (MET) mit Sitz damals in Deutschweisskirch/Viscri (mit DK Teil der groesseren Gemeinde Bodendorf/Bunesti) die an Denkmalschutz interessierte Oeffentlichkeit ueber die Installationsarbeiten, die der Stromversorger Electrica Transilvania Sud in DK mit brachialen Methoden durchfuehrte. Neue, ueberdimensionierte Strommasten wurden aufgepflanzt und Stromzaehler an den Aussenfassaden der urigen Bauerhaeuser wurden angebracht. Alles total gegen die elementarsten Denkmalschutzprinzipien… Mit Mueh und Not konnten die Elektriker dazu ueberedet werden, die noch nicht montierten Zaehler an die hofseitigen Fassaden anzubringen, wo sie nicht so auffallen.
Foto: MET
September 2011: Das Landeskonsistorium der ev. Kirche A.B. in Rumaenien hat vor wenigen Monaten mit den “Renovierungsarbeiten” an mehreren Kirchenburgen begonnen – im Rahmen eines EU-finanzierten Projektes zur Foerderung des Tourismus. So weit, so gut! Und die Touristen konnten es tatsaechlich von Weitem sehen, dass sich hier jemand mit dem Baudenkmal besonders viel Muehe gab: Aus Kilometern Entfernung konnte und kann man das mit neuen Fabriksziegeln gedeckte Dach der Ringmauer sehen – und sich u.U. sagen, dass man an sowas als Tourist nicht interessiert ist und daran vorbeifahren. Dabei waren die alten, handgemachten, patinierten Ziegeln noch groesstenteils intakt… Trotzdem wurden sie ausgewechselt, ebenso wie die Ziegeln auf dem Kirchendach. Die alten Ziegeln wurden zu dem Zweck massenweise zerstoert (um den Austausch zu rechtfertigen). Der Pfusch bei diesem Projekt erstreckte sich uebrigens auch auf viele andere Bereiche (Holzarbeiten, Verputz, Verfugungen).
VIDEO >>>hier
Foto: Johannes Klein
2012, Fruehjahr: DK braucht kurz vor den Wahlen einen Buergersteig – genauer gesagt, der Buergermeister braucht die Stimmen der leicht beeindruckbaren Waehler. Also verlegt man kurzerhand und ohne Genehmigungen vom Denkmalschutz einen modernen Buergersteig durch das Dorf (anstatt Steinpflaster oder Aehnliches zu verlegen wie in Deutschweisskirch). Die imposante Betonbruecke mit gelbem Eisengelaender wird auch rechtzeitig fertig und bringt wohl auch ein paar Extra-Stimmen. Wen kuemmert da noch der Denkmalschutz, das Ortsbild, die zu touristischen Zwecken renovierte Kirchenburg?
Denkmalgerechter, billiger, haltbarer Gehweg in Deutschweisskirch. (Quelle: Wikiwoods)
2012 Herbst: Der vorlaeufige Hoehepunkt. Die Michael-Schmidt-Stiftung, gegruendet vom hier gebuertigen Geschaeftsmann mit dem selben Namen hatte das Pfarrhaus der ev. Kirche 2011 erworben und versprach wiederholt eine Renovierung und kulturelle Nutzung. Das Oberhaupt der evangelischen Kirche faehrt seither ein Leihauto des Autoimporteurs Schmidt!
Korruption faehrt BMW… (Quelle: vergessen)
Am 23. August (wer haette das geahnt!) wird das Pfarrhaus innerhalb kuerzester Zeit abgerissen – weil es angeblich einsturzgefaehrdet gewesen sei. Alles gelogen, wie die Behoerden am 13. September ofiziell feststellen sollten. Laut Art. 24/1/a Baugesetz Nr. 50/1991 steht auf solche Taten Gefaengnisstrafe. Die Eurobanknoten stinken jedoch nicht. Der Ausgang der Ermittlungen und eines eventuellen Strafverfahrens ist deshalb noch ungewiss.
Der Fall des Pfarrhausabrisses wurde auf Facebook ausgiebig dokumentiert und diskutiert – und gipfelte in mehreren Reklamationen einiger FB-Nutzer bei den zustaendigen Aemtern. Letztere haben ihre Aufgabe bisher fast vorbildlich erfuellt und bestaetigt, dass die Arbeiten in DK strafbar sind. Ob sie das auch weiterhin tun, bleibt abzuwarten.
Foto: Hans Hedrich; Text: ISC (Inspectoratul de Stat in Constructii – Bauaufsichsbehoerde)
Ein schaler bis bitterer Nebengeschmack bleibt aber uebrig, wenn man sieht, wie sich die Fuehrungskreise in der ev. Kirche und in den Verbaenden der Siebenbuerger Sachsen zu diesem Problem entweder ausgeschwiegen haben, oder wie sie aus viel zu durchsichtigen Gruenden den Abreisser des Pfarrhauses diskret aber hartnaeckig in Schutz nahmen – so z.B. die Siebenbuergische Zeitung. Eine loebliche Ausnahme stellte am 20. 09. die ADZ dar (auch wenn wir ihrem journalistischen Eifer etwas nachhelfen mussten).
Der Vorsitzende des Verbandes der Siebenbuerger-Sachsen, Bernd Fabritius (li.) mit dem Unternehmer Michael Schmidt (re.), 2007 (Foto: www.siebenbuerger.de)
Was sich somit immer dringender stellt, ist die grundsaetzliche Frage nach unserem Verhaeltnis zum Kulturerbe – und zu unseren Interessenvertretern und Organisationen, die sich in einer Krisensituation fast schon reflexhaft auf die Seite der Kulturgutzerstoerer schlagen und Werte, Prinzipien, Verantwortung dabei vergessen.
Und dennoch: Es gibt Anlass zu einer gewissen Genugtuung und Hoffnung: Der illegale Abriss des Pfarrhauses hat innerhalb kuerzester Zeit in einer wenn auch ziemlich kleinen Gemeinschaft eine laute Reaktion hervorgerufen! Ein paar Leute haben sich in Bewegung gesetzt und damit erst einmal die illegalen Bauprojekte des Geschaeftsmannes gestoppt und das Thema ueberhaupt zu einem diskussionswuerdigen Thema gemacht. Diskussions- und Debattenkultur entsteht – und dadurch merken erst auch die Reichen und Einflussreichen, dass es ausser Geld und Beziehungen auch Gesetze und Mitbuerger gibt, die es zu achten gilt! Und der Protest hat sich noch nicht gelegt, sondern formiert sich weiter und konsolidiert sich dabei – Tag fuer Tag…
Humor ist, wenn man trotzdem lacht… (Korruption ist, wenn man’s trotzdem macht!) (Foto: Anonymous)
Im Rueckblick koennte DK deshalb sowas wie den Beginn einer nachhaltigen Wende auf mehreren Ebenen innerhalb der siebenbuergisch-saechsischen Gemeinschaft bedeuten. Die Zeit ist reif. Sie draengt sogar – denn es geht um nicht mehr und nicht weniger darum, ob und was fuer eine Zukunft wir als Siebenbuerger-Sachsen in unserer einzigen Heimat haben und gestalten wollen und koennen. Wenn wir uns der anstehenden Aufgaben annehmen, sozusagen unser “Kreuz” tragen, stehen die Chancen gut, dass wir Sachsen uns nach einer ermuedenden ersten “Halbzeit” von fast 900 Jahren und einer Halbzeitpause von 20+ Jahren aufmachen fuer eine zweiten Halbzeit in der siebenbuergischen Geschichte!
Deutsch-Kreuz: Nomen est omen?
Foto: www.deutschkreuz.de (rechts im Bild das alte, abgerissene Pfarrhaus)