Codex Aureus, Gheorghe Funar und die suesse Gewehrkugel des Vaterlandes

Da plumpste mir unlaengst wieder eine dieser chauvinismustriefenden, volksverhetzenden und vor allem hirnzersetzenden Massen-Emails des rumaenisch-nationalistischen Schwerenoeters Gheorghe Funar (ehemaliger kryptofaschistischer Buergermeister von Kolozsvar-Napoca in den glorreichen 90er Jahren) ins elektronische Postfach. Als Rosia-Montana-Protestler, der ich bin, habe ich scheinbar doch etwas gemeinsam mit Herrn “Doktor” Funar (ausser der Zugehoerigkeit zur Spezies Mensch und dem maennlichen Geschlecht) – also wurde ich auch ungefragt Empfaenger seiner ellenlangen Rundbriefe, die v.a. gegen Ungarn, die Ungarn in  Siebenbuergen, die ungarischen Parteien und ueberhaupt alles Ungarische auf diesem Planeten, als Ausdruck des Boesen schlechthin hetzen. …Und gegen alle Ausbeuter des heiligen rumaenischen Landes – wie zum Beispiel die Goldminenfirma RMGC.

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Von aussen eher unscheinbar: Batthyani-Bibliothek in Karlsburg/Alba Iulia/Gyulafehervar

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Ungleich wertvoller: Das Innenleben der Bibliothek mit ihren ueber 18.000 Exemplaren von allergroesster Seltenheit

Diesmal ging es Herrn F. um die seiner Meinung nach illegale, frevelhafte, antirumaenische(!) Rueckerstattung der Batthyani-Bibliothek in Karlsburg (Alba-Iuia/Gyulafehervar) an die (ungarische) katholische Kirche in Siebenbuergen (vermute ich) durch die gegenwaertige Regierung des Dr. Victor Ponta. Interessant zu erfahren war fuer mich wiederum folgendes:
1. der unschaetzbare Wert dieses Bibliotheksbestandes des katholischen Bischofsamtes in unserer Provinz (enthaelt ausser kirchlichen Schriften aus der carolongischen Zeit um 800 auch 80% der mittelalterlichen lateinischen Kodizes in Rumaenien);
2. die Enteignung der Bibliothek durch die rumaenischen Kommunisten 1953 aus welchem Grund auch immer – und nicht 1920, wie von Funar behauptet (ein wesentlicher Unterschied fuer die Rueckerstattungsdebatte);
3. die Tatsache, dass angeblich der Codex Aureus, eben jenes carolingische Manuskript aus einem einst gepluenderten wuerttembergischen Kloster, als Hypothek fuer die westlichen Milliardenkredite fuer Ceausescus Regime gegolten haben soll.

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Hypothek fuer 10-Milliarden-Euro-Kredit an Rumaenien? Seiten aus dem Codex Aureus.
Weitere Bilder hier >>> (Wikipedia)

Dass Herr Funar sich ueber die Rueckerstattung des vom rumaenischen Staat Gestohlenen auf seine unvergleichlich pathologische Art zu echauffieren weiss, wundert mich wiederum nicht, und viele andere ebensowenig, kandidiert doch der fuer seine peinlich-hysterischen antiungarischen Hetzreden legendaere Moechtegern-Hitler fuers Praesidentenamt seitens der Securitate-Zombie-Partei “Romania Mare”.

Die Lektuere seiner Hetztirade gegen die erwaehnte Rueckerstattung bietet reichlich Entdeckungen und vielschichtige Erkenntnisse ueber die Komplexitaet der Eigentumsstreitigkeiten im Nachwende-Rumaenien, den  kulturellen – und wirtschaftlichen – Wert kircheneigenen Besitzes in Siebenbuergen, die sekuritateinspirierten Luegen- und Manipulationstechniken von abgehalfterten Provinzpolitruken der Marke Funar, und und und.

Als Quintessenz der Funar-Lektuere bleibt mir das bizarre Gedankendestilat, dass allem Anschein nach das sozialistisch-nationalistisch-ungarnfeindliche Rumaenien des XX. Jhs. seine byzantinisch-balkanisch inspirierten sozial-ethnischen und wirtschaftlichen Experimente zu einem guten Teil nur dank der frueheren Leistungen von vormodern bis mittelalterlichen Kirchenmaennern westlich-katholischer und ungarischer Herkunft realisieren konnte! Und: Die lateinische (Schrift)Kultur wurde in Siebenbuergen ueber die Jahrhunderte nicht etwa von den romanischsprachigen Rumaenen gepflegt und weitergetragen, sondern bis um 1848 von Ungarn und auch von Siebenbuerger Sachsen. Was jedoch einen Apologeten des rumaenischen National-Kommunismus wie Ghe. Funar doch nicht davon abhaelt, die Ungarn weiterhin planmaessig und ungestraft zu verteufeln.
Irgendwie ist das auch wieder ziemlich “oekumenisch”, “europaeisch”, “gesamtsiebenbuergisch” – wenn auch auf die denkbar verkehrteste Art.

Uebrigens: Auf Wikipedia und auf der Homepage der Rumaenischen Nationalbibliothek in Bukarest, der das Batthyaneum zwangsweise angeschlossen worden war, steht gar nichts darueber, dass die Karlsburger Kirchenbibliothek bereits 1920, wie von Funar behauptet mit dem Friedensvertrag von Trianon in den rechtmaessigen Besitz des “Rumaenischen Volkes”(sic!) uebergegangen waere.
Die einzigen Hinweise zu Eigentuemerwechseln gibt es fuer die 1950er und ’60er Jahre, was wiederum die Rueckerstattung nur logisch und rechtens erscheinen laesst. Funars argumentatives Konstrukt, demzufolge die Bibliothek nun dem Staat Ungarn(!!!) geschenkt worden waere, bevor dieser als naechstes die Autonomie Siebenbuergens sowie dei Rueckgabe von ueber 50% der historischen Gebaeude Siebenbuergens erzwingen werde, stuerzt, wie zu vermuten, wieder einmal beim simpelsten Faktencheck in sich zusammen.

“Doamne, ocroteste-i pe romani!”, fleht Funar zum Ende seines Essays, jedoch nicht bevor er dem Verraeter Victor Ponta, der die Rueckerstattung der Buecherei im Wahlkampfjahr 2014 bewerkstelligte, zur Strafe fuer seine “Untat” eine “suesse Kugel seitens des Vaterlandes” wuenscht.
“Doamne, ocroteste-i pe romani de Gheorghe Funar!”, wuerde ich mir da eher wuenschen, selbst wenn ich von Ponta auch nur wenig bis nichts halte…

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Buecher und Ideen, die Herrn Funar inspirieren…

Beunruhigend nur, dass es im rumaenischen politisch-administrativen, medialen und geschaeftlichen Leben von dieser Art hochsuspekter Gestalten (Funar, Ponta, …) nur so wimmelt. Und das Reservoirr scheint noch laengst nicht erschoepft. Rumaeniens stiller bis schriller Kampf gegen Europa und seine Werte geht in Gestalt der expliziten oder auch nur impliziten Siebenbuergenfeindlichkeit weiter. 🙁

LINK: Gheorghe Funar: Ungaria-autonomie-Codex Aureus

Posted by at 16/09/2014
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5 Responses to Codex Aureus, Gheorghe Funar und die suesse Gewehrkugel des Vaterlandes

  1. Anonymous says:

    Ist´s wohlkalkulierte Agitation, wie die eines Herrn Hedrich letztlich im Auftrage der Dominanz, oder ist´s schlicht psychopathologisch?

    Dazu ein Witz, der mir zu Zeiten als dieser absonderliche Herr in Klausenburg Parkbänke absonderlich bemalen ließ erzählt worden ist:

    Gheorghe Funars Tage neigen sich dem Ende entgegen. Er verspürt, dass ihn bald der Teufel holen wird. Er sinniert, er sinniert wieder und er sinniert wieder, ….

    Welchen hohen Lebensgenuss vermag er sich noch zu leisten vermögen?

    Da, er hat´s!

    Mit letzter Kraft schleicht er noch herum um seinen heiligen bleschen Namen zu György Funyary madjarisieren zu lassen.

    Verständnislos fragen ihn seine Freunde was denn in ihn gefahren sei. Will er gar noch in seinen letzten Zügen Versöhnung mit dem gar schröckelichen madjarischen Gesipp, dem er immer so übel mitzuspielen versucht hat, herbeiführen?

    Schon ganz kraftlos haucht er mit lüsternem Blick: “Aber nein! Ganz und gar nicht! Ich will bloß aus nächster Nähe miterleben wie so einen madjarischen Untermenschen der Teufel holt!”

    Nicht ganz so psychopathologisch, aber auch recht eigen ist über das Ende des Lebens eines Werbesherrn zu berichten, der sich im letzten türkischen Dorf in der rumänischen Dobrudscha einst in eine der dortigen bodenständigen türkischen Damen verliebt hatte und deswegen in dieses verlotterte Kaff gezogen ist um dort mit seiner geliebten muselmanischen Nachfahrin der seit über 700 Jahren in dieser Gegend bodenständigen Ottomanen (angeblich waren es Ottomanen, was ich bezweifle, aber Türken waren und sind es unzweifelhaft) nach staatlichem rumänischen Recht verheiratet sein Leben zu verbringen.

    Auch Liebhabern und Ehegesponsten in der rumänischen Dobrudscha bodenständiger muselmanisch türkischer Damen ist nun einmal kein ewig Leben gewährt und besagter Herr schickte sich an zu sterben. Er nahm das angeblich mit einer stoischen und auch pfiffigen Gelassenheit zur Kenntnis, also mit Wesenszügen die der Werbeskultur so ganz und gar nicht fremd sein sollen.

    Da er wusste, dass er auf dem muselmanischen Friedhof als Nichtmuselmaner nicht bestattet werden könne, erklärte er 2 Tage vor seinem Ableben feierlich, dass er nun auf seine alten Tage beschlossen habe ein gläubiger Muselmaner zu werden. Tja, genützt hat es ihm einen Schmarren, man weigerte sich beharrlich das zur Kenntnis zu nehmen und verweigerte die Bestattung nach muselmanischem Ritus am muselmanischen Friedhof. Viele erwiesen ihm allerdings als geschätztem Mitglied der Gemeinde bei seiner Bestattung am nichtmuselmanischen Friedhof eines benachbarten Ortsteiles der Communa die letzte Ehre. Jeder wusste, dass sich dieser pfiffige Werbes bloß darum gedrückt hatte sich den Schwanz kupieren zu lassen wie früher ein Dobermannpinscher oder ein Boxerhund. Tja, ja, die genießen den Tierschutz und bei denen geht das nicht mehr so wie bei armen im Namen verblödeter Religion und im Lande unserer Besatzer pseudowisschenschaftlichen Hygienewahns gequälten Menschenbuberln …

    Dem Werbesherrn im Türkendorf kaufte jedenfalls niemand seine Konversion zum Islam ab. Ob wohl der hochwohlgeborene Herr Teufel Herrn Gheorghe Funar eine Konversion zum Madjarentum abkaufte?

  2. edit szegedi says:

    Die rumaenisch-calvinistischen Intellektuellen verwendeten im 17. Jh. die lateinische Schrift. Uebrigens stammt der erste gedruckte Text in rumaenischer Sprache mit lateinischer Schrift aus KLausenburg: es ist eine Seite aus einem Psalter aus dem 16. Jh. Das Problem mit der lateinischen Schrift war das Fehlen der Zeichen fuer Laute, die es im Lateinischen nicht gab, aber im Rumaenischen vorkommen. Deshalb sind die Texte auf rumaenisch, mit ungarischer Orthographie.

    • hans says:

      servus, edit!
      danke für deine gehaltvollen beiträge! bin nicht im thema und frage deshalb: um was für intellektuelle geht es und wo und in welchem bereich wirkten sie? (nikolaus olahus vielleicht?) wie traten sie zum calvinismus über?

  3. edit szegedi says:

    Nein, Olahus war katholischer Erzbischof und schrieb nur auf lateinisch. Es geht um Geistliche (ja, es gab rumaenisch-reformirte Gemeinden im 16.-17 Jh in Broos, Lugosch, Karanschebesch, im Hatzeger Land) oder um Laien, vornehmlich Kleinadlige oder Kaufleute mit intellektuellen Taetigkeiten (Lexikographie, Uebersetzungen). Die Reformation war nicht spurlos voruebergegangen, manche traten aus Ueberzeugung, andere unter Zwang oder eher aus Opportunismus zum Calvinismus ueber. Es gibt inzwischen eine recht reiche Literatur zu diesem Thema. Interessant sind uebrigens die Spuren, die der Calvinismus in der siebenbuergischen Orthodoxie hinterlassen hat. Laut Violeta Barbu ist u.a. die nur in Hunedoara gebraeuchliche Redewndung: Batar la predica sa ajung (sinngeamaess: ich soll mich nicht allzu verspaeten) eine dieser Spuren (das Hunyader Komitat war die Hochburg des rumaenischen Calvinismus).
    Ein kleine Reise in das mehrheitliche orthodoxe Karanschebesch waere interessant, weil die Stadt die Erinnerung an diese Intellektuellen wachhaelt. Das Banater Bergland hat eine ganz interessante Erinnerungskultur.

    • hans says:

      das ist wirklich spannend! könntest du mir einen guten literaturtip geben? oder vielleicht hast auch du etwas dazu geschrieben.
      PS: überhaupt suche ich wissenschaftler, die gerne online veroeffentlichen wuerden (hier auf NW z.b.). würde diech das interessieren? hauptsache es hat siebenbg.-bezug bzw. osteuropabezug…

      lass es mich wissen… schönen gruß!
      hans

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