Bohrende Babys, Liebesgangster im Donauspital und Plueschtiere auf Bahnsteigen. Ein Rueckblick auf’s Astra Film Fest 2013(I.)
Habe vergangene Woche praktisch Urlaub in Hermannstadt gemacht, und zwar, indem ich mich filmisch fuer sehr wenig Geld an die entlegensten Orte und Themen dieser Welt habe ‘beamen’ lassen. Das “Astra“, welches heuer seinen 20. Geburtstag feierte, hat sich von einem einst eher geduldeten, finanziell unterernaehrten Filmclub in ein vollwertiges, international eingebundenes und geschaetztes Dokumentarfilmfestival mit Ostflair gemausert – das auch Schmalspurbloggern wie mir eine Akkreditierung gewaehrte, samt Gratis-Essen und -Schlafen waehrend des Festivals. DANKE! MULTUMESC FRUMOS!
Uebrigens: Eine Hermannstaedter Freundin erklaerte “Astra” gar zum besten Kulturereignis der Sachsenmetropole… Na, also! Das darf man nicht verpassen!
Was habe ich mir also an Sehenswertem ‘reingezogen’ waehrend der letzten 7 Tage? Gefuehlt 100 Filme, real ungefaehr 30. Zum Beispiel folgende:
1. DRILL, BABY, DRILL
des polnisch-amerikanischen Underground-Dokumentaristen Lech Kowalski
Ohne kamera- oder schnitttechnische AMbitionen einfach drauflosgefilmt, dokumentierte LK die handfesten Probleme, mit denen sich die Landbevoelkerung in Polen und USA im Zuge der sich ausweitenden Schiefergassuche bzw. -foerderung in ihren Landesteilen konfrontiert sieht. Sehr aehnliche Proteste wie die auf der Leinwand konnte LK wenige Tage nach der Vorfuehrung in einer rumaenischen Version in Pungesti (Kreis Vaslui) selbst miterleben …und fuer seinen naechsten Film zum selben Thema aufnehmen.
LINK zum TRAILER hier>>>
2. DONAUSPITAL
von Nikolaus Geyrhalter (Oesterreich)
Wissend, was mich bei NG – einer wahren Dokfilminstitution in deutschen/europaeischen Landen – erwartet, stand dieser Film ganz oben auf meiner Liste. Und es war wieder einmal Dokumentarfilm in beinahe schon schmerzhaft purer Form – diesmal ueber den fabrikaehnlichen Betrieb des Donauspitals in unserer Hauptstadt Wien – OHNE Schwenks, OHNE Zoom, OHNE Interviews, OHNE schnelle Schnitte oder sonstige Verlegenheitsloesungen fuer vermasselte Aufnahmen. NG verzichtet in allen Filmen, die ich von ihm noch aus den spaeten 90ern kenne und die mir alle Gaensehaut produzieren, auf diese sehr breite Palette an Gestaltungsmoeglichkeiten, um mit unbeweglicher Kamera in langen bis sehr langen Einstellungen das Schauspiel des Lebens (und manchmal des Sterbens) aufzunehmen.
Weitere Meisterwerke von NG: Ein Film ueber Bosnien gleich nach dem Buergerkrieg, einer ueber Tschernobyl (PRIPYAT); UNSER TAEGLICHES BROT (ueber unsere maschinenhaft-entseelte Lebensmittelindustrie, der wir das billige Essen im Supermarkt verdanken).
3. GANGSTER OF LOVE (GANGSTER TE VOLI – Gangster liebt dich)
von Nebojsa Slijepcevic (Kroatien)
Der Gegenpol zu “Donauspital”; ein Fest fuer die Sinne, schoen, witzig, intelligent geschnitten, vollgestopft mit (Balkan)Humor und unfreiwilliger Komik – aber auch mit vielen unerwarteten Momenten nuechterner bis erdrueckender Erkenntnis ueber unser Liebes- und Beziehungsleben. “Gangster”, ein jovial-direkter Dalmatiner aus irgendeiner Kleinstadt ist Heiratsvermittler. Trotz seiner bisherigen legendaeren Erfolgsrate schafft er es nicht, eine geschiedene Bulgarin mit Sohn an den (kroatischen) Mann zu bringen. Selbige traeumen nach 20 Jahren Plackerei auf deutschen Baustellen fast allesamt von einem (leicht idealisierten?) kroatischen weiblichen Wesen an ihrer Seite und im ueberdimensionierten Traumhaus. Und so wird halt meistens nix draus. Interkulturell-panbalkanisches Heiratsangebot und -nachfrage wollen im post-tudjmanischen Kroatien nicht so recht zueinanderfinden.
4. PLUESCHTIERE (Igrushki)
von Lina Luzhite (Litauen)
In einem Staedtchen im weissrussischen Nirgendwo leben viele Familien von der Herstellung und dem Verkauf von Plueschtieren. Ja, von Plueschtieren! Wovon den sonst? Produziert wir oft im Wohnzimmer zuhause, verkauft wird auf dem Bahnsteig an Zugreisende auf der Durchfahrt. Vom Geld kaufen sich die “Fabrikanten” nicht selten Alkohol statt Essen, aber das gehoert ja zum Klischee des Osteuropaers und muss bedient werden. Dummerweise hat ein gescheiter Politiker aus Minsk jedoch den Verkauf der Plueschtiere am Bahnhof verbieten lassen. Warum? Ganz einfach, weil ihm bei einem Bescuh in der Stadt einige der Teddybaerkapitalisten aus Protest einmal die Brille zerchlagen hatten.
(Fortsetzung folgt!)
Cool. Kann es sein, dass an Hansi ein Dokufilmer verloren gegangen ist?
Probier’s mal, vll schaffst Du es nächstes Jahr in die Jury. Mir haben Dein Kurzbericht und die Trailer gefallen.
er (der dokumentarfilmer hansi) ist noch nicht verlorengegangen – er irrt nur durch andere gefilde. vielleicht schafft er es sogar mal mit einem debutfilm auf die leinwand…